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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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die Schatten. Einen Augenblick später stieg eine Gestalt durch das Fenster in den Raum und sah sich um. Als könne er ihn in der Dunkelheit erkennen, heftete sich der Blick des Fremden geradewegs auf Daeron. »Wo ist sie?«
    Daeron unterdrückte einen Fluch. Der Mann vor ihm war kein Mensch! Warum war ihm das nicht gleich aufgefallen? Er hätte den fehlenden Herzschlag sofort bemerken müssen!
     
    *
     
    Frierend und schlecht gelaunt öffnete Alexandra die Haustür und schlüpfte in die Empfangshalle. Hier war es dunkel und still. In dem Bewusstsein, dass die Ruhe nicht lange anhalten würde, hielt sie kurz inne und genoss die letzten Momente der Einsamkeit. Obwohl sie noch immer Hunger verspürte, war ihr nach dem Zusammenstoß mit Vladimir der Appetit gründlich vergangen. Wütend und enttäuscht war sie durch die Gassen gestreift, darauf bedacht, dass sie nicht verfolgt wurde. Sie hatte es nicht eilig gehabt, ins Haus der Vampyre zurückzukehren. Abgesehen davon hatte sie die Zeit und die kalte Luft gebraucht, um ihre konfusen Gedanken ein wenig zu ordnen. Bis vor Kurzem noch hatte ihr Leben klare Grenzen gehabt. Auf der einen Seite standen die Menschen und auf der anderen die Vampyre. Die Lebenden verkörperten das Gute, die Untoten das Böse. So einfach war das! Seit ihrer Ankunft in Edinburgh schienen diese Grenzen jedoch mehr und mehr zu verschwimmen. Daeron und Catherine waren anders. Und Lucian … Alexandra schnaubte.
    Ihr Blick fiel auf die Tür zum Salon. Darunter zwängte sich ein leiser Lichtschimmer in die Eingangshalle. Zweifelsohne waren Daeron und Catherine dort. Alexandra seufzte. Ihr stand ganz und gar nicht der Sinn nach Gesellschaft. Abgesehen davon war sie müde. Dennoch hatten die beiden ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen war. Sie beschloss, es so rasch wie möglich hinter sich zu bringen. Mit ein paar flinken Handgriffen befreite sie sich aus ihrem nassen Mantel und hängte ihn an die Garderobe, ehe sie sich erneut dem Salon zuwandte. Sie holte noch einmal tief Luft, dann öffnete sie die Tür. Sofort spürte sie die Kälte. Auf dem Tisch stand ein Kerzenleuchter. Die Flammen tanzten im Luftzug und hüllten die Frau, die ihr aus der Mitte des Raumes entgegenblickte, in ein Gewirr aus Licht und Schatten. Alexandra blieb die Begrüßung im Halse stecken. Das war nicht Catherine, sondern eine Fremde. Dennoch erschien sie Alexandra auf eigenartige Weise vertraut. Die Haltung. Das teure Gewand. All das hatte sie schon einmal gesehen. Die Fremde sah Alexandra überrascht an, die engelsgleichen Züge zu einer reglosen Maske gefroren. Einzig die Augen schienen lebendig – und voller Wahnsinn.
    »Du kommst mir ungelegen!«
    In dem Augenblick, als Alexandra die Worte vernahm, wusste sie, wen sie vor sich hatte. Schlagartig drängten sich Lucians Worte in ihren Geist: Ich weiß nicht, ob sie schon immer so war, doch sie ist zweifelsohne wahnsinnig. Derselbe Irrsinn, der in ihrer Stimme schwang, spiegelte sich auch in den Augen der Ushana wider.
    Bei Gott! Habe ich sie hierhergeführt? Wie war das möglich? Hatte sie sich nicht alle erdenkliche Mühe gegeben, mögliche Verfolger abzuschütteln?
    Alexandra wollte etwas erwidern, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Der Blick der Ushana nahm sie gefangen und lähmte sie. Alexandra wollte kehrtmachen und davonlaufen, doch die Ushana schüttelte nur den Kopf. Als würde diese winzige Bewegung genügen, versagten Alexandras Beine sogleich den Gehorsam. Wie angewurzelt stand sie da, nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als die Ushana anzustarren. Wie konnte ein Wesen von derart überirdischer Schönheit zugleich so kalt und grausam sein?
    Die Ushana hob die Hand und winkte Alexandra zu sich heran. Alexandra rührte sich nicht. Wenn ihre Beine sich schon weigerten zu fliehen, so sollten sie gefälligst auch diese Bewegung verweigern!
    »Du bist stark«, bemerkte die Ushana ruhig, »doch das wird dir nicht helfen!«
    Einen Atemzug später glaubte Alexandra zu spüren, wie die Vampyrin in ihren Verstand drang. Es fühlte sich an, als tastete eine eisige Hand nach ihrem Geist, um ihn sich zu unterwerfen. Die Berührung ließ Alexandra zusammenzucken. Wieder bedeutete ihr die Ushana, sich in Bewegung zu setzen. Alexandra versuchte sich zu widersetzen. Je mehr sie darum kämpfte, ihre Beine stillzuhalten, desto tiefer grub sich die eisige Berührung in ihren Verstand. Die Kälte breitete sich in ihrem Körper aus wie Eiskristalle, die ihren Leib

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