Die Jaegerin
von innen heraus zu zerschmettern drohten. Alexandra hätte geschrien, doch noch immer wollte ihr kein Laut über die Lippen kommen. Lediglich das regelmäßige Ticken der Standuhr war zu vernehmen. Weitaus langsamer als Alexandras Herzschlag.
»Komm her!«, flüsterte die Ushana.
Alexandra versuchte der Stimme zu widerstehen, dennoch tat sie einen ersten, ruckartigen Schritt auf die Vampyrin zu. Sie kämpfte gegen den Drang an, weiterzugehen, doch sie brachte es nicht zustande. Der Schmerz, den die Kälte in immer schnelleren Wellen durch ihren Leib jagte, raubte ihr die Kraft, ihren Körper zu kontrollieren. Ein weiterer Schritt. Das Wesen vor ihr war so wunderschön – zugleich wirkte es kalt und leblos. Als die Ushana jetzt lächelte, entblößte sie vier messerscharfe Fangzähne. Ihre Hände hatten sich zu todbringenden Klauen verkrümmt. Alexandra sah die Gefahr. All ihre Sinne sprangen darauf an und schrien ihr zu, kehrtzumachen und zu fliehen. Doch sie konnte nichts tun. Sie hatte die Gewalt über ihren Körper verloren. Ihr Verstand versuchte sich dagegen zu wehren und die fremde Präsenz zu verdrängen, die ihn gefangen hielt, aber es wollte ihr nicht gelingen. Noch ein Schritt. Dann noch einer. Die Ushana hob die Hand und holte aus.
*
Noch immer starrte Daeron auf den hochgewachsenen Mann, der nun vor dem Fenster stehen geblieben war. Das halblange schwarze Haar fiel ihm in die Stirn und verdeckte einen Teil seiner Züge. »Wo ist sie?«, fragte der Fremde noch einmal.
»Wer sind Sie?«, hielt Daeron dagegen. »Sie sind kein Mensch.«
»Sie doch auch nicht.«
Die Ruhe seines Gegenübers überraschte Daeron. Er nahm nicht einmal eine Verteidigungshaltung ein! So reagierte niemand, der gerade beim Einbruch überrascht worden war. Es sei denn, er weiß genau, dass er nichts zu befürchten hat. Es bestand kein Zweifel daran, dass er ein Vampyr war. Doch was hatte er hier zu suchen? Warum verlangte er zu wissen, wo Alexandra war? Misstrauisch beäugte Daeron den Eindringling. Womöglich hatte er Alexandra zu früh vertraut. Hatte sie nicht gesagt, es gäbe keine weiteren Vampyre? Wer war dann dieser Kerl?
»Meine Name ist Lucian Mondragon«, sagte der Fremde plötzlich.
»In Ordnung, Mr Mondragon. Dann können Sie mir sicher auch erklären, was Sie in meinem Haus zu suchen haben.«
Ein Anflug von Erstaunen huschte über Mondragons Züge. Beinahe so, als hätte er erwartet, dass sich mit der bloßen Nennung seines Namens alle anderen Fragen erübrigen würden. Sein Blick glitt an Daeron vorbei zur Tür. »Ist sie unten?« Die Selbstsicherheit, die er an den Tag legte, war wirklich unglaublich. Er drang in ein fremdes Haus ein und benahm sich, als wäre es vollkommen selbstverständlich! »Ich muss dringend mit ihr sprechen!«
»Sie ist nicht hier!«, schnappte Daeron gereizt. »Und jetzt beantworten Sie endlich meine Frage!«
Statt etwas zu erwidern, machte der Vampyr plötzlich einen Schritt zur Seite und wollte zur Tür. Daeron vertrat ihm den Weg – allein schon, um ihn von Catherine fernzuhalten, die auf dem Gang wartete.
Mit jedem Moment, den Daeron ihn länger aufhielt, schwand Mondragons Ruhe. Jetzt zuckte sein Blick zwischen Daeron und der Tür hin und her. Dennoch griff er noch immer nicht an. »Es ist wirklich wichtig!«, versuchte er es noch einmal.
Daeron blieb hart. »Dann sagen Sie es mir!«
Zu seiner Überraschung seufzte der Fremde. »Sie würden zu viele Fragen stellen, für deren Beantwortung uns nicht die nötige Zeit bleibt. Hören Sie, ich –«
Ein durchdringender Schrei schnitt seine Worte ab.
»Alexandra!« Mit erschreckender Leichtigkeit stieß Mondragon Daeron zur Seite und war an ihm vorbei, ehe er reagieren konnte. Daeron fuhr herum und stürmte hinter ihm her auf den Gang hinaus.
Aus dem Augenwinkel sah er, dass Catherine ihm folgen wollte. »Bleib, wo du bist!«, rief er ihr zu und rannte weiter. Mit schnellen Sätzen überwand Daeron die Stufen, durchquerte die Eingangshalle und fegte in den Salon.
Alexandra lag vor dem Kamin und rührte sich nicht. Außer ihr war niemand im Raum. Die Gardinen, die rastlos im Wind flatterten, kündeten jedoch davon, dass das nicht immer so gewesen war. Daerons Geduld war am Ende. »Verdammt, was hat das zu bedeuten?«
Mondragon achtete nicht auf ihn. Nachdem er sich einen raschen Überblick verschafft hatte, eilte er zu Alexandra und ließ sich neben ihr auf die Knie fallen. Das Blut an ihrer Schläfe, dessen Geruch
Weitere Kostenlose Bücher