Die Jagd am Nil
freizubekommen.»
«Welche Bedingungen?»
«Zum einen wird Ihr Pass einbehalten. Sie bekommen ihn erst zurück, wenn die Ermittlungen zufriedenstellend abgeschlossen sind.» Er hielt ihr die Tür auf, führte sie dann die Stufen hinab und öffnete die hintere Tür von Mansoors Wagen, der am Straßenrand wartete. «Ich musste der Polizei außerdem zusichern, dass Sie bis zum Ende der Ermittlung das Land nicht verlassen werden.»
«Das werde ich nicht», versprach sie und stieg ein. «Aber wie lange wird es dauern?»
«Schnell wird es nicht gehen», gab Augustin zu und setzte sich neben sie. «In Ägypten dauert alles seine Zeit.» Er nahm ihre Hand und drückte sie beschwichtigend. «Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Es wird alles gut werden. Mansoor und ich haben uns eine Geschichte überlegt, die …»
«Hey, hey, hey», protestierte Nafeez auf dem Beifahrersitz. «Ich darf das nicht hören. Ich bin Anwalt.»
«Verzeihen Sie mir, mein Freund», erwiderte Augustin lachend. Dann wandte er sich wieder an Claire. «Vertrauen Sie mir einfach. Alles wird gut. In Ägypten kommt es darauf an, dass man die richtigen Leute kennt. Normalerweise hasse ich das an diesem Land. Aber heute gefällt es mir. Denn ich kenne eine Menge Leute, Claire. Eine Menge mächtiger Leute mit guten Verbindungen. Und wenn es sein muss, werde ich sie anrufen.»
«Danke», sagte sie.
«Ich habe in Ihrem Namen ein paar weitere Zugeständnisse gemacht. Ich habe mich dazu verpflichtet, persönlich dafür zu sorgen, dass Sie zu allen Vernehmungen und Gerichtsterminen erscheinen, sollte es so weit kommen. Das wird nicht der Fall sein. Es bedeutet allerdings, dass sie für die nächste Zeit mein Gast sein müssen.»
«Werde ich Ihnen nicht zur Last fallen?»
«Aber nein. Es wird mir ein Vergnügen sein.»
Sie schaute auf ihre Hand, die Augustin noch immer drückte. Er merkte, was ihr durch den Kopf gehen musste, wurde furchtbar rot, ließ ihre Hand los und rückte ein Stück von ihr ab. «Nein, nein», sagte er schnell. «Es ist nicht so, wie Sie denken, das verspreche ich Ihnen. Sie werden Ihr eigenes Zimmer haben. Das heißt, Sie bekommen mein Zimmer, und ich werde auf der Couch im Wohnzimmer schlafen, ich brauche nur eine Decke und ein Kissen, das habe ich schon häufiger gemacht, es ist überhaupt kein Problem, die Couch ist bequem, eigentlich viel bequemer als mein Bett, ich weiß gar nicht, warum ich nicht immer dort schlafe, auf jeden Fall müssen Sie nichts befürchten, das ist ja die Hauptsache, Sie haben mein Wort.» Er stockte verlegen, holte tief Luft, und sah ihr tief in die Augen, um herauszufinden, ob sie ihm glaubte. Offenbar kam er zu dem Schluss, dass er noch eine letzte Beteuerung hinzufügen musste. «Ehrlich, Claire», sagte er eindringlich. «Ich würde nicht im Traum daran denken, Sie auf diese Art auszunutzen, schon gar nicht nach alldem, was Sie für mich riskiert haben.»
Für einen Augenblick herrschte Stille.
«Ach», sagte sie dann.
II
Während er auf dem Dach des Wagens lag, dem Wüten des Gewitters schutzlos ausgesetzt, und auf die Straße zurückschaute, wurde Knox eine erhebliche Schwäche seines spontanen Plans bewusst. Selbst mit den Scheinwerfern von Khaleds Wagen war die Sicht dürftig. Naguib und Tarek aber konnten nicht einmal mit Licht fahren, wenn sie sich nicht verraten wollten. Und ohne Licht zu fahren, war bei diesen Bedingungen nahezu unmöglich.
Ein heftiger Windstoß erschütterte den Wagen, der sich dabei so stark zur Seite neigte, dass das Wasser vom Dach schwappte und Knox sich verzweifelt festklammern musste. Die Reifen bekamen wieder Halt, aber nun wurde der Fahrer langsamer und fuhr mit einer etwas vernünftigeren Geschwindigkeit weiter. Knox schaute erneut zurück. Noch immer war niemand zu sehen. Sie erreichten das Ende der Straße und hielten vor dem Königsgrab an. Ein passender Ort, um diese Geschichte zu beenden.
Geometrie war zwar ein griechisches Wort, aber es war eine ägyptische Wissenschaft gewesen, die man als Reaktion auf die alljährlichen Überschwemmungen des Nils entwickelt hatte. Denn wenn das gesamte umliegende Land überflutet worden war, benötigten die Besitzer wertvollen Grund und Bodens verlässliche Methoden, um beim Rückgang des Wassers festzulegen, welches Land wem gehörte, während gleichzeitig den Behörden an gerechten Praktiken gelegen war, die Grundsteuern zu bestimmen.
Dass ägyptische Architekten diese Befähigungen besessen hatten,
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