Die Jagd am Nil
seinem Wagen und fuhr davon. Um sicherzugehen, wartete Peterson noch zehn Minuten, bis er das Krankenhaus betrat. Aber er durfte nichts überstürzen. Sein Gesicht und seine Hände waren mit Öl und Ruß beschmiert. Wenn man ihn so sah, würde er Fragen beantworten müssen. Er fand eine Herrentoilette, in derer sich auszog, energisch wusch und mit Papierhandtüchern abtrocknete. Es war nicht perfekt, aber es musste genügen. Er schaute auf seine Uhr. Er musste sich beeilen.
Am Empfangsschalter stritt sich eine Familie mit angespannten, gedämpften Stimmen. Auf einer Bank lag eine dicke Frau ausgestreckt. Peterson schlüpfte durch die Pendeltüren in einen schwach beleuchteten Flur. Die Hinweisschilder waren auf Arabisch und Englisch. Onkologie und Pädiatrie. Nicht das, was er suchte. Er nahm die Hintertreppe und gelangte auf einen anderen Gang. Zwischen den Unfallopfern hastete ein Arzt umher, der offenbar schon eine lange Schicht hinter sich hatte und völlig erschöpft wirkte. Peterson eilte vorbei und lief durch eine Doppeltür in ein kleines Zimmer, das mit sechs Betten vollgestellt war. Er ging durch den Mittelgang und musterte die Gesichter. Knox war nicht darunter. Er überprüfte erfolglos weitere Zimmer, kam in ein Treppenhaus, lief hinauf in die nächste Etage und gelangte in einen identischen Flur. Vor dem ersten Zimmer döste ein Polizist auf einem harten Holzstuhl, den Kopf gegen die Wand gelehnt.
Verfluchter Farooq!
Doch der Mann schlief, und sonst war niemand zu sehen. Peterson schlich näher und lauschte aufmerksam auf jede Veränderung im Rhythmus des leisen Schnarchens. Aber Gott war auf seiner Seite, und so erreichte er unbemerkt die Tür. Er öffnete sie und schloss sie leise hinter sich.
Drinnen war es stockdunkel. Er wartete ein paar Sekunden, bis sich seine Augen daran gewöhnt hatten, und ging dann zum Bett. Peterson kannte sich in Krankenhäusern aus. Er bemerkte den Tropf und den stechenden Geruch eines Kolloidverbands. Er schaute sich nach Knox’ Sachen um und entdeckte sie zusammengelegt auf einer Kommode. Oben auf dem Stapel lag das Handy. Peterson steckte es ein, wandte sich um und hielt dann nachdenklich inne.
Mit Sicherheit würde er nie wieder eine bessere Gelegenheit bekommen, um ein für alle Mal mit Knox fertig zu werden. Der schlafende Polizist vor der Tür würde bestimmt Stein und Bein schwören, die ganze Nacht hellwach gewesen zu sein, sodass unmöglich jemand unbemerkt hineingegangen oder herausgekommen sein konnte. In einem heidnischen, rückständigen Land wie diesem würde man unter Garantie davon ausgehen, dass Knox einfach seinen Unfallverletzungen erlegen war. Schock, Trauma, Gehirnerschütterung, Verbrennungen, Rauchvergiftung. Die Obduktion würde reine Routinesache sein. Und schließlich war er Abschaum. Er hatte sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben.
Peterson trat vor das Bett.
Kapitel 16
I
Stafford und Lily warteten bereits vor dem Discovery, als Gaille um zwölf Minuten vor fünf Uhr herauskam. «Tut mir leid», sagte sie und hob als Entschuldigung Staffords Buch hoch. «Ich konnte einfach nicht aufhören.»
«Es ist gut, nicht wahr?», meinte er nickend.
«Die Kupferrolle», sagte Gaille, während sie und Stafford einstiegen und Lily das Tor öffnete. «Die ist tatsächlich echt?»
«Glauben Sie etwa, ich veröffentliche meine Bücher auf der Basis erfundener Artefakte?», fragte er verärgert. «Besuchen Sie das Archäologische Museum in Jordanien, wenn Sie mir nicht glauben.»
«So meinte ich das nicht», sagte Gaille und trat ein paar Mal aufs Gaspedal, um den Motor aufzuwärmen, ehe sie losfuhr. «Woher wissen Sie, dass der Text darauf nicht irgendeine Fälschung ist?»
«Es ist auf jeden Fall keine moderne Fälschung», sagte er, als Gaille anhielt, damit Lily hinten einsteigen konnte. «Wissenschaftliche Analysen haben das zweifelsfrei erwiesen. Eine antike Fälschung wird es auch nicht sein, denn die Essener waren nicht gerade für ihre Leichtfertigkeit bekannt, oder? Besonders, da das Kupfer zu über neunundneunzig Prozent rein war, praktisch rituell rein, und die Essener nahmen rituelle Reinheit sehr ernst.»
«Ja.»
«Außerdem war das Kupfer nicht nur auf einem Blatt, was schon viel für eine Fälschung gewesen wäre, sondern auf drei zusammengenieteten Blättern. Und auf denen waren die Buchstabennicht wie gewöhnlich mit einer scharfen Nadel gekratzt, sondern von hinten mit einem Meißel gespänt worden. Eine äußerst anstrengende
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