Die Jagd am Nil

Hermaphrodit gewesen. Dann hatte sich jedoch herausgestellt, dass die Statue in der Antike einen Rock getragen hatte, sodass es unprofessionell war, aus ihrer Beschaffenheit voreilige Schlüsse zu ziehen. Die
talalat
, die sie gefunden hatten, könnten diese Kontroverse allerdings wieder neu beleben, denn nachdem Gaille sie zusammengefügt hatte, war ein glaubwürdiges Bild von Echnaton entstanden, das ihn nackt zeigte, mit ausgeprägten Brüsten, aber ohne Genitalien. Und das würde Fatima wahrscheinlich in diesem Moment Stafford und Lily erzählen.
    Nachdem Gaille die Aktualisierung abgeschlossen hatte, gähnte sie und wollte zu Bett gehen. Nur zur Sicherheit schaute sie zuvor noch nach ihren E-Mails . Als sie sah, dass sie eine Nachricht von Knox bekommen hatte, hüpfte ihr Herz. Sie öffnete sie.
     
    Angehängte Fotos stammen von einer Ausgrabung, mögl. therapeutisch. Belichtung miserabel. Kannst du helfen? Je schneller, desto besser.
    Ich vermisse dich.
    Daniel.
     
    Sie streckte ihre Hand aus und berührte den Bildschirm. In ihren Fingerspitzen kitzelte es durch die Elektrostatik. Sie hatte eine Menge Gründe gehabt, Fatimas Einladung anzunehmen und sich ihrem Team für einen Monat anzuschließen, der stärkste Grund aber war die zunehmende Gewissheit gewesen, dass Knox’ Freundschaft ihr auf Dauer nicht genügen würde. Sie brauchte auch seinen Respekt.
     
    Ich vermisse dich.
     
    Mit einem Mal war sie hellwach und sprühte vor Leben. Sie speicherte seine Fotos auf ihre Festplatte und konnte es kaum abwarten, daran zu arbeiten.

II
    Peterson fluchte nie laut, doch während der Fahrt zum Krankenhaus gab es Momente, in denen er kurz davor war. Teilweise lag es daran, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte, Knox’ Handy an sich zu nehmen, da Shareef auf der Rückbank des Toyotas saß und sich um ihn und Tawfiq kümmerte. Vor allem aber lag es daran, dass er Shareefs Kollegen im Wagen der Autobahnmeisterei kaum folgen konnte. Der Mann war verrückt und fuhr mit Sirene und Blaulicht verantwortungslos schnell durch den dichter werdenden Verkehr. Die Hinweisschilder rauschten vorbei wie Leuchtfeuer.
    Er überholte einen Sattelschlepper, bremste abrupt vor der Ausfahrt, schaltete wieder hoch und beschleunigte, bis die Tachonadel am Anschlag war. Sie rasten durch eine Unterführung, bogen so scharf nach rechts ab, dass Peterson das Lenkrad des Toyotas mit der Kraft seines ganzen Körpers herumreißen musste, und holperten eine mit Schlaglöchern übersäte Straße hinab. Vor ihnen wurde schon ein Schlagbaum gehoben, dann jagten sie an einem Betonmischer und einer Baustelle vorbei auf das Gelände des Krankenhauses, vor dessen Türen sie mit quietschenden Reifen zum Stehen kamen. Durch den Unfall in Al-Hannoville herrschte bereits hektische Betriebsamkeit. Ein Arzt und zwei Krankenpfleger eilten heraus. Die Hecktür des Toyotas flog auf. Der Arzt legte Knox und Omar Sauerstoffmasken an und ließ sie auf Tragen heben. Peterson stieg aus und lief neben Knox her, als er in das Gebäude gebracht wurde. Seine Hand lag neben Knox’ Hüfte, sein Blick war auf die Hosentasche gerichtet. Er schaute sich um. Jeder war beschäftigt und rief Anweisungen, niemand beobachtete ihn. Er griff nach dem   …
    Sie krachten gegen Pendeltüren, und Peterson schreckte zurück. Als er die Trage wieder eingeholt hatte, war Knox auf die Seite gedreht worden, sein Hemd war weg, und man sah die versengte Haut darunter. Ein Krankenpfleger zog ihm die Schuhe aus, knöpfte die Jeans auf und streifte sie herunter. Peterson versuchte, sie ihm abzunehmen. «Mein Freund», sagte er.
    Doch der Krankenpfleger entriss ihm die Hose und zeigte bestimmt zu den Pendeltüren. Peterson drehte sich um und sah Shareef neben einem Polizisten stehen, einem bulligen Mann mit stechenden, kleinen Augen und einem harten Zug um den Mund. Peterson rang sich ein Lächeln ab und ging zu ihnen.
    «Das ist Detective Inspector Farooq», sagte Shareef. «Er war wegen des anderen Unfalls hier.»
    «Eine lange Nacht für Sie», sagte Peterson.
    «Ja», antwortete Farooq knapp. «Und wer sind Sie?»
    «Peterson. Reverend Ernest Peterson.»
    «Und Sie haben die beiden gefunden?»
    «Ja.»
    «Erzählen Sie mir, was geschehen ist.»
    «Vielleicht sollte ich zuerst meinen Wagen wegfahren», sagte Peterson. «Er blockiert den Eingang.» Er nickte den beiden zu, ging durch die Tür und überlegte hastig, welche Geschichte er erzählen sollte. Der Polizist hatte ihn komisch