Die Jagd am Nil
ihn vor sich her stieß. Als ein Mann mit Priesterkragen über die Kuppe schritt, wich sofort jede Freude aus ihren Gesichtern, so als wäre Vergnügen frivol und Frivolität eine Sünde. Das musste Peterson sein. Der Mann hatte zwar das massige Äußere von Knox’ Angreifer auf dem Balkon, sicher konnte er sich jedoch nicht sein.
Er kam zu ihnen und musterte Knox verächtlich von oben bis unten, wirkte aber völlig gelassen. «Detective Inspector», sagte er. «Sie schon wieder.»
«Ja», erwiderte Farooq. «Ich schon wieder.»
«Was führt Sie her?»
Farooq warf Knox einen Blick zu. «Sie erinnern sich an Mister Daniel Knox?»
«Ich habe ihm das Leben gerettet. Glauben Sie, das habe ich vergessen?»
«Er behauptet, dass Sie hier etwas gefunden haben. Eine antike unterirdische Anlage.»
«Das ist lächerlich. Wenn es so wäre, sollte ich davon wissen.»
«Ja», sagte Farooq. «Das sollten Sie.»
«Das ist der Mann, der Omar Tawfiq ermordet hat», fauchte Peterson. «Er würde alles behaupten, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.»
«Es dürfte nicht schwer sein, seine Behauptungen nachzuprüfen. Oder haben Sie ein Problem damit?»
«Nur, dass es für alle Beteiligten reine Zeitverschwendung ist, Detective Inspector.»
«Gut.» Er wandte sich an Knox. «Na dann.»
Knox hatte gehofft, dass allein durch seine Anwesenheit an diesem Ort die Erinnerungen zurückkehren würden, doch sein Kopfwar frustrierend leer. Er schaute sich um und wartete auf Eingebungen. Die Türme eines Kraftwerks. Ein paar Gewerbegebäude. Zwei Männer, die mit einem Bagger Rohre verlegten. Die Reihe der Archäologen, die ihre Steinhämmer und Hacken wie Waffen hielten. Bei ihrem Anblick war er sich wieder ganz sicher: Hier gab es eine antike, unterirdische Anlage. Diese Leute hatten sie betreten und verlassen, ohne gesehen zu werden. Vielleicht arbeiteten sie nur in der Nacht, aber … Er schaute hinüber zum Büro mit dem Zeltanbau. Konnte darunter etwas versteckt sein? Aber seine Fotos hatten eindeutig einen im Freien liegenden Schacht gezeigt. Wenn sie also das Bürogebäude seit gestern nicht verlagert hatten … nein, das hatten sie nicht, wie er an dem mit Schlaglöchern durchzogenen Weg und dem Parkplatz erkennen konnte, ganz zu schweigen von den hier zusammenlaufenden Fußwegen …
Genau, die Fußwege!
Wenn diese Leute tagein, tagaus zu diesem Schacht gegangen waren, hatten sie bestimmt einen sichtbaren Trampelpfad hinterlassen. Er schaute sich um. Die Wege führten in alle Richtungen.
«Und?», fragte Farooq mit verschränkten Armen. Er verlor langsam die Geduld.
Knox geisterten Erinnerungsfetzen durch den Kopf. Es war dunkel, er lief davon, sein Herz raste und er krachte gegen einen Maschendrahtzaun. Etwas weiter entfernt zu seiner Linken war ein solcher Zaun, der das Gelände des Kraftwerks eingrenzte. Ein schmaler Trampelpfad schlängelte sich darauf zu. Das musste der Weg sein. Er deutete in die Richtung. «Dort entlang», sagte er.
II
Leicht benommen verließ Augustin Kostas’ Haus.
Ein Porträt von Jesus Christus.
Also war Petersons Gerede keine Metapher gewesen. Er war tatsächlich auf der Suche nach dem Antlitz Christi. Augustin setzte sich auf sein Motorrad und schob es vom Ständer, um zurück zur Polizeistation zu fahren. Doch in diesem Moment fiel ihm ein, warum ihn die Erwähnung der Karpokratianer stutzig gemacht hatte. Er stellte sein Motorrad wieder ab und marschierte wütend zurück zum Haus. «Das Geheime Markusevangelium!», rief er, nachdem Kostas die Tür geöffnet hatte. «Warum haben Sie mir nicht von dem Geheimen Markusevangelium erzählt?»
«Weil es das nicht gibt», entgegnete Kostas.
«Was reden Sie denn da? Wie kann ich davon gehört haben, wenn es nicht existiert?»
«Sie haben bestimmt auch von Einhörnern gehört, oder?»
«Das ist etwas anderes.»
«Es ist genau das Gleiche», sagte Kostas. «Das Geheime Evangelium ist ein Hirngespinst, das aus Habsucht und Bösartigkeit in die Welt gesetzt wurde. Es hat nie existiert. Und es kann unmöglich etwas mit dieser Sache zu tun haben.»
«Das wissen Sie nicht. Auf jeden Fall nicht mit Sicherheit.»
«Ich habe mein Leben der Wahrheit gewidmet», erwiderte Kostas verärgert. «Fälschungen sind ein Übel. Schon wenn man darüber spricht, selbst wenn man sie ablehnt, verleiht man ihnen eine Legitimität, die sie nicht verdienen.»
«Trotzdem», sagte Augustin. «Sie hätten mir davon erzählen sollen. Unser Freund steckt
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