Die Jagd beginnt
Wahrnehmung verschwunden. Er wusste nicht, wie er das anstellte, und er tauchte ebenso plötzlich wieder auf, so wie er verschwunden war. Auch diesmal würde er zurückkommen.
»Diesmal kommst du zu mir, Rand al’Thor. Vorher folgte ich dir wie ein Hund der Spur, aber nun folgst du mir.« Sein Lachen klang wie irres Gegacker. Er wusste selbst, dass es verrückt klang, aber es war ihm gleich. Auch der Wahnsinn war mittlerweile ein Teil seiner selbst geworden. »Komm zu mir, al’Thor! Der Tanz hat noch nicht einmal begonnen. Wir werden auf der Toman-Halbinsel tanzen, und ich werde mich von dir befreien. Ich werde endlich dafür sorgen, dass du stirbst.«
KAPITEL 12
Ins Muster verwoben
E gwene eilte hinter Nynaeve zu der Gruppe von Aes Sedai, die um die von Pferden getragene Sänfte der Amyrlin herumstand. Ihre Neugier, die Ursache des Aufruhrs in Fal Dara zu erfahren, übertrumpfte sogar ihre Sorge um Rand. Er war im Moment außerhalb ihrer Reichweite. Bela, ihre zerzauste Stute, befand sich genau wie Nynaeves Reittier bei den Pferden der Aes Sedai.
Die Behüter, die Hände an den Schwertgriffen und mit ständig suchendem Blick, bildeten einen stählernen Kreis um die Aes Sedai und die Sänfte. So war eine Insel relativer Ruhe im Hof entstanden, wo ansonsten die shienarischen Soldaten immer noch zwischen den entsetzten Festungsbewohnern hin und her liefen. Egwene schob sich neben Nynaeve. Sie beide wurden nach einem scharfen Blick von den Behütern mehr oder weniger übersehen – jeder wusste, dass sie mit der Amyrlin reisen würden. Sie entnahmen dem Gemurmel im Hof, dass ein Pfeil anscheinend aus dem Nichts herangeflogen war und der Schütze noch nicht gefasst werden konnte.
Egwene stand mit weit aufgerissenen Augen da und war zu entsetzt, um überhaupt zu bemerken, dass sie von Aes Sedai umgeben war. Ein Anschlag auf das Leben der Amyrlin. Das war unvorstellbar.
Die Amyrlin saß in ihrer Sänfte und hatte die Vorhänge zurückgezogen. Der blutige Riss in ihrem Ärmel zog alle Blicke auf sich. Sie sah auf Lord Agelmar hinunter. »Ihr werdet den Schützen finden oder auch nicht, mein Sohn. Wie auch immer: Meine Aufgabe in Tar Valon ist genauso dringlich wie die Ingtars bei seiner Suche. Ich reise sofort ab.«
»Aber Mutter«, protestierte Agelmar, »dieser Anschlag auf Euer Leben ändert alles. Wir wissen immer noch nicht, wer den Mann beauftragt hat oder warum. Noch eine Stunde, und ich habe den Schützen gefunden und die Antwort für Euch bereit.«
Die Amyrlin lachte auf; es schwang jedoch kein Humor darin mit. »Ihr braucht schlauere Köder oder ein feineres Netz, um diesen Fisch zu fangen, mein Sohn. Wenn Ihr den Mann endlich habt, wird es zu spät sein, um heute noch abzureisen. Es gibt zu viele, die meinen Tod bejubeln würden, als dass ich mir um diesen Mann besondere Gedanken machen müsste. Ihr könnt mir ja alles berichten, was Ihr herausfindet – falls Ihr überhaupt etwas herausfindet.« Ihr Blick glitt über die Türme, die den Hof überblickten, und über die Wehrgänge und die Bastionen der Bogenschützen. Alles war noch dicht mit Menschen besetzt, die jetzt schwiegen. Der Pfeil musste hier irgendwo seinen Ausgangspunkt gehabt haben. »Ich glaube, der Schütze ist bereits aus Fal Dara geflohen.«
»Aber Mutter …«
Die Frau in der Sänfte schnitt ihm mit einer endgültigen Geste das Wort ab. Nicht einmal der Herr von Fal Dara durfte die Amyrlin allzu lange belästigen. Ihr Blick fiel schließlich auf Egwene und Nynaeve. Es war ein durchdringender Blick, der alles zu entdecken schien, was Egwene über sich selbst geheim halten wollte. Sie trat einen Schritt zurück, fing sich dann aber und knickste. Dabei hoffte sie, dass sie das Richtige tat, denn niemand hatte ihr das Protokoll erklärt und was sie tun sollte, wenn sie der Amyrlin gegenüberstand. Nynaeve hielt sich steif und aufrecht und erwiderte den Blick der Amyrlin, ohne den Blick zu senken, doch ihre Hand suchte nach der von Egwene und ergriff sie genauso fest, wie Egwene zupackte.
»Also das sind Eure beiden, Moiraine«, sagte die Amyrlin. Moiraine deutete ein Nicken an, und die anderen Aes Sedai drehten sich um und blickten die beiden Frauen aus Emondsfelde an. Egwene schluckte. Sie alle wirkten so, als wüssten sie über viele Dinge Bescheid, von denen andere nichts ahnten, und es half überhaupt nichts, zu wissen, dass es tatsächlich so war. »Ja, ich fühle deutlich einen Funken in ihnen. Aber was wird daraus erwachsen?
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