Die Jagd beginnt
Das ist die Frage, nicht wahr?«
Egwenes Mund war staubtrocken. So hatte Meister Padwin, der Zimmermann zu Hause, seine Werkzeuge angesehen – so wie die Amyrlin sie nun musterte: diese Frau für diesen Zweck, die andere Frau für jenen Zweck.
Die Amyrlin sprach plötzlich mit lauter Stimme: »Es ist Zeit zu gehen. Auf die Pferde! Lord Agelmar und ich können alles Notwendige besprechen, ohne dass Ihr alle gafft wie die Novizinnen am freien Tag. Auf die Pferde!«
Auf ihren Befehl hin rannten die Behüter zu ihren Reittieren, wobei sie sich immer noch misstrauisch umsahen, und die Aes Sedai bis auf Leane schlüpften von der Sänfte weg zu ihren eigenen Pferden. Als sich Egwene und Nynaeve abwandten, um dem Befehl Folge zu leisten, erschien ein Diener mit einem silbernen Kelch neben Lord Agelmar. Agelmar nahm ihn mit einem mürrischen Ausdruck um die Mundwinkel entgegen.
»Mit diesem Kelch aus meiner Hand, Mutter, nehmt meinen Wunsch entgegen, dass es Euch an diesem Tag und an jedem anderen gut ergehen …«
Was sonst noch gesagt wurde, entging Egwene, als sie auf Bela kletterte. Als sie es geschafft hatte, die Stute zu tätscheln und ihre Röcke zurechtzuziehen, war die Sänfte bereits unterwegs zum offen stehenden Tor. Die Tragpferde schritten ohne Zügel und irgendwelche Führung dahin. Leane ritt neben der Sänfte, ihren Stab in einen Steigbügel gestützt. Egwene und Nynaeve ritten zusammen mit den anderen Aes Sedai hinterher.
Rufe und Hurrageschrei aus der Menge entlang der Straßen der Stadt begrüßten die Prozession und übertönten beinahe das Donnern der Trommeln und das Schmettern der Trompeten. Behüter führten die Kolonne an; die Flagge mit der Weißen Flamme blähte sich im Wind. Weitere Behüter bildeten einen Kreis um die Aes Sedai und hielten die Menschenmenge zurück. Bogenschützen und Pikeure mit der Flamme auf der Brust folgten in geordneten Reihen dahinter. Die Trompeten schwiegen, als die Kolonne aus der Stadt hinaustrottete und sich nach Süden bewegte, doch die Jubelklänge aus der Stadt folgten ihnen noch immer. Egwene blickte sich hin und wieder um, bis Bäume und Hügel die Mauern und Türme von Fal Dara verdeckten.
Nynaeve, die an ihrer Seite ritt, schüttelte den Kopf. »Rand wird es schon gut gehen. Er hat ja Lord Ingtar und zwanzig Lanzenträger bei sich. Und du könntest sowieso nichts tun. Keine von uns kann eingreifen.« Sie blickte zu Moiraine hinüber. Die gestriegelte weiße Stute der Aes Sedai und Lans großer schwarzer Hengst bildeten ein eigenartiges Paar. Sie ritten ganz für sich nebeneinander. »Noch nicht.«
Die Kolonne bog nach Westen ab und bewegte sich nicht eben schnell. Selbst die Fußsoldaten, die nur einen Brustpanzer trugen, kamen auf den Hügeln Shienars nicht sehr schnell vorwärts. Trotzdem marschierten sie so stramm wie möglich.
Des Nachts schlugen sie erst spät ihr Lager auf. Die Amyrlin gestattete ihnen keinen Halt, bevor es so dunkel war, dass sie kaum noch genug sahen, um die Zelte aufzuschlagen – niedrige weiße Kuppelzelte, die gerade hoch genug waren, um darin aufrecht zu stehen. Jedes Paar Aes Sedai aus der gleichen Ajah hatte eines, während die Amyrlin und die Bewahrerin der Chroniken ein Zelt für sich hatten. Moiraine teilte sich das Zelt mit ihren beiden Schwestern von den Blauen Ajah. Die Soldaten schliefen in einem gesonderten Teil des Lagers auf dem Boden, und die Behüter wickelten sich in der Nähe der Zelte der Aes Sedai, denen sie zugeschworen waren, in ihre Umhänge. Das Zelt, das sich die Roten Schwestern teilten, wirkte ohne Behüter irgendwie einsam, während das der Grünen beinahe festlich aussah. Die beiden Aes Sedai saßen oftmals bis lange nach Einbruch der Dunkelheit draußen und unterhielten sich mit den vier Behütern, die sie mitgebracht hatten.
Lan kam einmal zu dem Zelt, das sich Egwene und Nynaeve teilten, und führte die Dorfheilerin ein Stück weg in die Nacht hinein. Egwene spähte um die Zeltklappe herum. Sie konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber Nynaeve wurde schließlich zornig und stolzierte zurück. Sie wickelte sich in ihre Decken und weigerte sich, irgendetwas zu sagen. Egwene glaubte zu entdecken, dass ihre Wangen feucht waren, aber sie verbarg das Gesicht hinter dem Zipfel einer Decke. Lan stand noch lange Zeit im Dunklen und betrachtete das Zelt, bevor er schließlich wegging. Danach kam er nicht wieder.
Moiraine kam gar nicht erst in ihre Nähe. Wenn sie vorbeiging, nickte sie ihnen
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