Die Jagd beginnt
ein paar hundert Schritte breit, aber alle erstreckten sich kerzengerade von Osten nach Westen. Zweimal sah Rand das Ende eines solchen Streifens. Einmal ritten sie direkt darüber und einmal in der Nähe vorbei. Sie liefen am Ende in schmalen Spitzen aus. Jedenfalls dort, wo sie es sehen konnten; er vermutete, es war überall gleich.
Einmal hatte er zu Hause in Emondsfelde Whatley Eldin zugesehen, wie er einen Festwagen für den Sonnentag vorbereitet hatte. What hatte ihn mit bunten Bildern und kunstvollen Verzierungen geschmückt. An den Rändern hatte What den Wagen lediglich mit der Pinselspitze berührt. Die dünne Linie wurde stärker, als er mehr aufdrückte, und wieder dünner, als der Pinseldruck nachließ. Genauso sah das Land aus: als habe jemand mit einem riesigen Feuerpinsel Linien darüber gezogen.
Nichts wuchs dort, wo das Land verbrannt war. Einige der Brandstreifen zumindest erweckten den Eindruck, schon sehr alt zu sein. Dort konnte man nicht einmal eine Andeutung von Ruß in der Luft riechen, ja, selbst dann nicht, wenn er sich herunterbeugte, ein schwarzes Ästchen abbrach und daran roch. Lange vorbei, und doch gab es nichts, was das Land wieder belebt und zum Blühen gebracht hätte. Schwarz und Grün wechselten sich ab, und die Grenzen verliefen messerscharf.
Der Rest der Landschaft wirkte auf eine andere Art genauso tot wie die Brandstreifen, obwohl dort Gras wuchs und die Bäume Blätter trugen. Alles wirkte so verblasst – wie Kleider, die man zu oft gewaschen und zu lange in der Sonne getrocknet hatte. Es gab keine Vögel oder andere Tiere; jedenfalls gewahrte Rand keine. Kein Falke drehte seine Kreise am Himmel, kein Fuchs bellte, kein Vogel sang. Nichts raschelte im Gras oder setzte sich auf einen Ast. Keine Bienen, keine Schmetterlinge. Mehrmals überquerten sie seichte Bäche. Oft hatte sich das Wasser eine tiefe Rinne in das Land gegraben, deren steile Uferböschungen die Pferde hinunterrutschen und auf der anderen Seite wieder besteigen mussten. Das Wasser war klar bis auf den von den Pferdehufen aufgewirbelten Schlamm, doch keine Elritze und keine Kaulquappe schossen aus dem Schlammwirbel heraus. Nicht einmal eine Wasserspinne tanzte über die Oberfläche, und keine Libelle schwebte über dem Wasserspiegel.
Das Wasser war trinkbar, und das war gut so, denn ihre Vorräte reichten nicht ewig. Rand versuchte es zuerst und ließ Loial und Hurin warten, um zu sehen, ob ihm etwas passierte. Dann durften sie trinken. Er hatte sie in diese Lage gebracht und war für sie verantwortlich. Das Wasser war kühl und sauber, und das war auch noch das beste daran. Es schmeckte schal, als sei es abgekocht. Loial verzog das Gesicht, und die Pferde mochten es auch nicht. Sie schüttelten die Köpfe und tranken nur zögernd.
Es gab kein Anzeichen für Leben hier. Zweimal sah er einen zerfledderten Streifen wie eine von Wolken gezogene Linie über den Himmel kriechen. Die Linien war zu gerade, um natürlichen Ursprungs zu sein, aber er konnte sich nicht vorstellen, was die Ursache war. Er erwähnte diese Streifen den anderen gegenüber nicht. Vielleicht bemerkten sie sie gar nicht. Hurin war ganz auf die Spur konzentriert, und Loial hatte sich in sich selbst zurückgezogen.
Als sie bereits den halben Morgen lang geritten waren, schwang sich Loial wortlos von seinem riesigen Pferd und lief hinüber zu einer Gruppe Riesenbesenbäume. Ihre Stämme teilten sich zu vielen dicken Ästen, die steif und gerade keinen Schritt weit über dem Boden herausstanden. An den Spitzen teilten sie sich erneut zu einem dicht mit Blättern bewachsenen Gestrüpp, das ihnen den Namen gegeben hatte.
Rand hielt den Braunen an und wollte schon fragen, was er vorhatte, aber etwas am Benehmen des Ogiers, der selbst unsicher schien, ließ Rand schweigen. Nachdem er den Baum angeschaut hatte, legte Loial die Hände auf den Stamm und begann mit tiefer, sanft grollender Stimme zu singen.
Rand hatte schon einmal das Baumlied des Ogiers gehört, damals, als Loial einen sterbenden Baum besungen und wieder zum Leben erweckt hatte, und er hatte auch von besungenem Holz gehört, Kunstgegenständen, deren Material mithilfe des Baumlieds von Bäumen gewonnen worden war. Loial sagte, dieses Talent sei allmählich immer seltener geworden. Er war mittlerweile einer der wenigen, die diese Fähigkeit besaßen. Deshalb war besungenes Holz nun umso wertvoller und sehr gesucht. Als Loial damals sang, schien die Erde selbst zu singen. Doch nun
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