Die Jagd beginnt
gar nicht so sicher, Lord Rand. Auf jeden Fall danke ich Euch für die Einladung, aber ich komme lieber nicht mit. Es gibt in Vortor so viele Raufereien – und auch Morde –, dass es dort stinkt, wenn Ihr versteht, was ich meine. Nicht, dass sie einen Lord angreifen werden, denn natürlich bekämen sie es dann mit den Soldaten zu tun. Aber wenn Ihr gestattet, möchte ich lieber im Schankraum etwas trinken.«
»Hurin, du brauchst keine Erlaubnis von mir, wenn du etwas tun willst. Das weißt du doch.«
»Wie Ihr meint, Lord Rand.« Der Schnüffler deutete eine Verbeugung an.
Rand holte tief Luft. Wenn sie Cairhien nicht bald verließen, würde Hurin demnächst wohl noch einen Knicks vor ihm machen. Und falls Mat und Perrin das bemerkten, würden sie es ihn sein Leben lang fühlen lassen. »Ich hoffe, dass sich Ingtar durch nichts aufhalten lässt. Wenn er nicht bald kommt, müssen wir selbst das Horn nach Fal Dara zurückbringen.« Er tastete durch den Mantelstoff hindurch nach Selenes Zettel. »Wir müssen. Loial, ich komme rechtzeitig zurück, dass du auch noch etwas von der Stadt sehen kannst.«
»Das riskiere ich lieber nicht«, sagte Loial.
Hurin begleitete Rand nach unten. Sobald sie den Schankraum betraten, verbeugte sich Cuale tief vor Rand und schob ihm ein Tablett in die Hände. Drei gefaltete und versiegelte Briefe lagen auf dem Tablett. Rand nahm sie an sich, da der Wirt das zu erwarten schien. Sie bestanden aus sehr feinem Pergament, das sich weich und glatt anfühlte. Teuer.
»Was ist das?«, fragte er.
Cuale verbeugte sich erneut. »Einladungen natürlich, Lord Rand. Von dreien der Adelshäuser.« Er entfernte sich unter Verbeugungen aus Rands Nähe.
»Wer schickt mir denn eine Einladung?« Rand drehte sie in der Hand um. Keiner der Männer an den Tischen blickte auf, doch Rand hatte das Gefühl, sie beobachteten ihn trotzdem. Er erkannte keines der Siegel. Die Mondsichel mit den Sternen, die Selene benutzt hatte, war nicht darunter. »Wer weiß überhaupt, dass ich hier bin?«
»Mittlerweile jeder, Lord Rand«, sagte Hurin ruhig. Auch er fühlte wachsame Blicke auf sich ruhen. »Die Torwachen halten bestimmt nicht den Mund, wenn ein ausländischer Lord nach Cairhien kommt. Der Stallbursche, der Wirt … jeder erzählt bereitwillig, was er weiß, und zwar demjenigen, von dem er sich den meisten Nutzen verspricht, Lord Rand.«
Rand verzog das Gesicht, machte zwei Schritte und warf die Einladungen in den Kamin. Sie fingen sofort Feuer. »Ich spiele kein Daes Dae’mar «, sagte er laut genug, dass es jeder hören konnte. Nicht einmal Cuale sah ihn an. »Ich habe nichts mit Eurem Großen Spiel zu tun. Ich bin nur hier, um auf einige Freunde zu warten.«
Hurin fasste ihn am Arm. »Bitte, Lord Rand«, flüsterte er eindringlich. »Bitte tut so etwas nicht wieder.«
»Wieder? Glaubst du, dass ich noch mehr bekomme?«
»Da bin ich sicher. Licht, Ihr erinnert mich daran, als Teva so wütend wurde, weil ihm eine Hornisse um die Ohren summte, dass er dem Nest einen Tritt gab. Ihr habt wahrscheinlich gerade jeden im Raum davon überzeugt, dass Ihr ganz tief in das Spiel verwickelt seid. Es muss schon sehr tief sein, werden sie denken, wenn Ihr abstreitet, überhaupt zu spielen. Jeder Lord und jede Lady in Cairhien spielen mit.« Der Schnüffler blickte auf die Einladungen hinunter, die sich schwarz im Feuer krümmten, und er stöhnte auf. »Und Ihr habt nun gewiss drei Häuser zum Feind. Keine der großen Häuser, denn die hätten sich nicht so schnell gerührt, aber trotzdem Adelsfamilien. Ihr müsst weitere Einladungen beantworten, wenn Ihr sie erhaltet, Lord Rand. Lehnt sie ab, wenn Ihr wollt – aber sie werden aus den Einladungen, die Ihr abschlagt, ihre Schlüsse ziehen. Und aus denen, die Ihr annehmt. Natürlich, falls Ihr sie alle ablehnt oder alle annehmt …«
»Ich will nichts damit zu tun haben«, beharrte Rand. »Wir verlassen Cairhien, sobald wir können.« Er steckte die geballten Fäuste in die Manteltaschen und fühlte, wie Selenes Zettel verknittert wurde. Also zog er ihn heraus und glättete ihn an der Mantelbrust. »Sobald wir können«, murmelte er und steckte den Zettel zurück in die Tasche. »Trink jetzt etwas, Hurin.«
Er stolzierte wütend hinaus, wobei er sich nicht sicher war, ob er auf sich selbst wütend war oder auf Cairhien und das Große Spiel oder auf Selene, weil sie verschwunden war, oder auf Moiraine. Mit ihr hatte alles begonnen, als sie seine Mäntel stehlen
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