Die Jagd beginnt
und ihm stattdessen die Kleider eines Lords in den Schrank hängen ließ. Selbst jetzt, wo er meinte, sie los zu sein, brachte es eine Aes Sedai fertig, sich in sein Leben einzumischen, und das, ohne überhaupt anwesend zu sein.
Er ging durch das gleiche Tor zurück, durch das sie die Stadt betreten hatten, denn den Weg kannte er wenigstens. Ein Mann, der vor dem Wachhaus stand, bemerkte ihn – mit seinem leuchtenden Mantel und seiner Größe hob er sich von den Leuten aus Cairhien ab – und eilte hinein, doch Rand merkte nichts davon. Das Gelächter und die Musik von Vortor zogen ihn an.
Innerhalb der Mauer war er durch seinen goldbestickten roten Mantel aufgefallen, aber zu Vortor passte er genau. Viele der Männer, die sich durch die belebten Straßen schoben, trugen die gleiche dunkle Kleidung wie in der Stadt, aber mindestens ebenso viele hatten rote, blaue, grüne oder goldfarbene Mäntel an, manchmal bunt genug, um zu einem Kesselflicker zu passen, und ein noch höherer Anteil der Frauen trug bestickte Kleider und bunte Schals oder Schultertücher. Die meisten dieser Festtagskleider waren allerdings zerknittert und saßen schlecht, als seien sie für jemand anderes angefertigt worden, aber falls einige Träger solcher Kleider seinen feinen Mantel bemerkten, so nahmen sie es gleichmütig hin.
Einmal musste er stehen bleiben und eine weitere Prozession riesiger Puppen an sich vorbeiziehen lassen. Während die Trommler ihre Tamburine schlugen und tanzten, kämpfte ein schweinsgesichtiger Trolloc gegen einen Mann mit Krone. Nach ein paar ungelenken Schwerthieben brach der Trolloc zusammen, und die Zuschauer lachten und jubelten.
Rand knurrte. Sie sterben nicht ganz so leicht. Er blieb stehen, um durch die Tür eines dieser großen, fensterlosen Gebäude zu spähen. Zu seiner Überraschung schien sich darin nur ein einziger, riesiger Saal zu befinden, der von Balkonen umgeben war. An einem Ende befand sich ein großes Podest. Er hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen oder auch nur davon gehört. Auf den Balkonen und unten im Saal drängten sich die Menschen, um die Vorführungen auf dem Podest zu verfolgen. Als er an anderen gleichartigen Gebäuden vorbeikam, warf er ebenfalls einen Blick hinein und sah Jongleure und Musikanten, unzählige Akrobaten und sogar einen Gaukler mit seinem Flickenumhang, der eine Geschichte aus der Wilden Jagd nach dem Horn in volltönendem Hochgesang deklamierte.
Dabei musste er an Thom Merrilin denken, und er eilte weiter. Die Erinnerungen an Thom waren immer traurig. Thom war ein Freund gewesen. Ein Freund, der für ihn gestorben war. Und ich rannte weg und ließ ihn sterben. In einem anderen großen Gebäude ließ eine Frau in wallenden weißen Gewändern Dinge aus einem Korb verschwinden, und die tauchten dann in einem anderen Korb wieder auf und verschwanden schließlich in einer Rauchwolke aus ihren Händen. Die Zuschauermenge gab laute Aaaahs und Oooohs von sich.
»Zwei Kupferpfennige, guter Herr«, sagte eine kleine Ratte von Mann am Eingang. »Nur zwei Kupferpfennige, und Ihr könnt die Aes Sedai sehen.«
»Das glaube ich nicht.« Rand blickte die Frau dort hinten an. Eine weiße Taube war in ihrer Hand erschienen. Aes Sedai? Er verbeugte sich kurz vor dem kleinen Mann und ging.
Er schob sich durch die Menge und fragte sich, was er wohl als Nächstes sehen würde, da hörte er von einem Eingang her, über dem das Abzeichen eines Jongleurs angebracht war, eine tiefe Stimme, begleitet von den Tönen einer Laute: »… kalt weht der Wind den Pass von Shara herunter, und kalt liegt das vergessene Grab. Doch jedes Jahr zum Sonnentag erscheint über diesen aufgehäuften Steinen eine einzelne Rose mit einer Kristallträne wie Tau auf den Blütenblättern. Sie wird von der schönen Hand Dunsinins dorthin gelegt, denn sie hält sich an das Versprechen, das sie Rogosh Adlerauge gab.«
Die Stimme zerrte an Rand wie ein Seil. Er drängte sich durch die Tür, als gerade Applaus aufbrauste.
»Zwei Kupferpfennige, guter Herr«, sagte ein Mann mit dem Gesicht einer Ratte. Er hätte ein Zwilling des anderen sein können. »Zwei Kupferpfennige, um den …«
Rand kramte ein paar Münzen hervor und drückte sie dem Mann in die Hand. Wie betäubt ging er weiter und starrte den Mann an, der sich auf dem Podest vor den klatschenden Zuhörern verbeugte, in einem Arm die Laute hielt und mit der anderen Hand seinen Flickenumhang ausbreitete, als wolle er alle Geräusche damit auffangen.
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