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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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dass Barthanes wohl Schafe hereinließ. Er sah so angestrengt zu der Steinplatte – dem Tor – hinüber, dass er zusammenfuhr, als neben ihm schwere Stiefel auf dem Boden aufschlugen.
    Hurin richtete sich auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. »Ihr solltet vorsichtig mit solchen Manövern sein, Lord Rand. Hier könnte sich jeder versteckt halten – oder alles.« Er spähte in die Dunkelheit der ummauerten Zone hinein und fasste sich dabei unwillkürlich an den Gürtel. Doch das Kurzschwert und der Schwertbrecher waren in der Schenke zurückgeblieben. In Cairhien liefen Diener nicht bewaffnet herum. »Springt in ein Loch hinein, ohne Euch zu vergewissern, und es ist bestimmt eine Schlange darin.«
    »Du würdest sie riechen«, sagte Rand.
    »Vielleicht.« Der Schnüffler atmete tief ein. »Aber ich kann nur das riechen, was sie getan haben, und nicht, was sie vorhaben.«
    Über Rands Kopf erklang ein Schaben, und dann ließ sich Loial langsam an der Mauer herunterrutschen. Der Ogier musste nicht einmal die Arme ganz durchstrecken, da berührten seine Stiefel bereits den Boden. »Voreilig«, knurrte er. »Ihr Menschen handelt immer so voreilig und überhastet. Und nun mache ich es euch auch schon nach. Der Älteste Haman würde mich ganz schön ins Gebet nehmen und meine Mutter …« Die Dunkelheit verbarg sein Gesicht, aber Rand war sicher, dass seine Ohren lebhaft zuckten. »Rand, wenn du nicht ein bisschen vorsichtiger vorgehst, dann wirst du mich noch in Schwierigkeiten bringen.«
    Rand ging zum Tor hinüber und dann außen herum. Selbst aus der Nähe wirkte es lediglich wie eine dicke Steinplatte, die ihn ein gutes Stück überragte. Die Rückseite war glatt geschliffen und fühlte sich kühl an – er strich nur kurz mit der Hand darüber –, aber die Vorderseite hatte ein Künstler geschaffen. Ranken, Blätter und Blüten bedeckten sie, alles so fein herausgearbeitet, dass es im trüben Mondschein beinahe echt wirkte. Er tastete über den Boden davor. Das Gras war in zwei weiten Bögen weggeschabt, wie es beim Öffnen von Torflügeln geschah.
    »Ist das der Zugang zu den Kurzen Wegen?«, fragte Hurin unsicher. »Ich habe natürlich davon gehört, aber …« Er schnüffelte, wie um eine Witterung aufzunehmen. »Die Spur führt geradewegs darauf zu und endet hier, Lord Rand. Wie sollen wir ihnen jetzt folgen? Ich habe gehört, wenn man durch ein derartiges Tor geht, kommt man als Wahnsinniger wieder heraus, falls man überhaupt jemals herauskommt.«
    »Es geht durchaus, Hurin. Ich habe es selbst schon gemacht und Loial, Mat und Perrin auch.« Rand wandte den Blick nicht von dem Gewirr der Blätter auf dem Stein. Eines war dabei, das war anders als die anderen in diesem Blattrelief; so viel wusste er: das dreiteilige Blatt des legendären Avendesora , des Lebensbaums. Er legte die Hand darauf. »Ich wette, du kannst auch in den Kurzen Wegen ihre Spur wittern. Wir können ihnen überallhin folgen, welchen Weg sie auch immer zur Flucht benützen.« Es wäre nicht schlecht, auch sich selbst zu beweisen, dass er den Mut hatte, durch ein Tor zu gehen. »Ich werde es dir beweisen.« Er hörte, wie Hurin aufstöhnte. Das Blatt war genauso wie die anderen in das Relief eingearbeitet, doch es löste sich nun, und er hielt es in der Hand. Loial stöhnte ebenfalls.
    In diesem Augenblick wurde die Illusion lebendiger Pflanzen Wirklichkeit. Steinblätter schienen im leichten Wind zu flattern, Blumen erstrahlten selbst in der Dunkelheit in ihren natürlichen Farben. Unten in der Mitte des Ganzen wurde eine Trennlinie sichtbar, und die beiden Hälften der Platte schwangen langsam auseinander – eine davon auf Rand zu. Er trat zurück. Es bot sich ihm nun allerdings weder der Anblick der anderen Seite der ummauerten Zone noch das matt-silberne Leuchten, wie er es in Erinnerung hatte. Der Raum zwischen den sich öffnenden Torflügeln war von einem so dunklen Schwarz, dass es die sie umgebende Nacht heller erscheinen ließ. Diese Pechschwärze quoll zwischen den immer noch aufschwingenden Torflügeln hervor.
    Rand sprang mit einem Schrei zurück und ließ in der Eile das Avendesorablatt fallen. Loial rief: » Machin Shin. Der Schwarze Wind!«
    Das Rauschen des Windes übertönte alles andere. Das Gras raschelte und bewegte sich wellenförmig in Richtung der Mauer. Staub wirbelte durch die Luft. Und im Wind riefen tausend Stimmen Wahnsinniger, zehntausend, überschlugen sich und übertönten einander. Rand konnte

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