Die Jagd beginnt
Sein Gesicht war schlaff und völlig ausdruckslos, und seine großen Augen wirkten leer. Sie blickten durch alles hindurch und schienen nichts wahrzunehmen. Eine der Frauen wischte ihm sanft Speichel aus dem Mundwinkel. Sie nahmen ihn bei den Armen, damit er stehen blieb. Sein Fuß bewegte sich noch vorwärts, zögerte und fiel dann deutlich hörbar auf den Boden. Er schien es genauso zufrieden zu sein, einfach nur dazustehen, wie zu gehen. Zumindest war es ihm gleichgültig.
»Trayal war einer der Letzten von uns, die durch das Tor gingen«, sagte Alar leise. »Er kam so zurück, wie Ihr ihn hier seht. Berührt Ihr ihn einmal, Verin?«
Verin sah sie lange an, dann stand sie auf und ging zu Trayal hinüber. Er rührte sich nicht, als sie ihm die Hände auf die breite Brust legte. Nicht einmal ein Blick von ihm zeigte, dass er ihre Berührung überhaupt bemerkte. Mit einem Zischen zuckte sie zurück, blickte zu ihm auf und wirbelte herum. Sie sah die Ältesten an. »Er ist … leer. Sein Körper lebt, doch in ihm ist nichts. Gar nichts.« Alle Ältesten blickten unendlich traurig drein.
»Nichts«, sagte eine der Ältesten zu Alars Rechten leise. Aus ihren Augen sprach all der Schmerz, den Trayal nicht mehr empfinden konnte. »Kein Verstand. Keine Seele. Es blieb nichts von Trayal als sein Körper.«
»Er war ein guter Baumsänger«, seufzte einer der Männer.
Alar gab ein Handzeichen, und die beiden Frauen drehten Trayal um. Sie mussten ihn erst wieder in Bewegung setzen, damit er zur Tür ging.
»Wir kennen die Risiken«, sagte Verin. »Aber wie gefährlich es auch immer sein mag – wir müssen dem Horn von Valere folgen.«
Die Älteste nickte. »Das Horn von Valere. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass es sich in der Hand von Schattenfreunden befindet oder dass es überhaupt aufgetaucht ist.« Sie blickte die Reihe der Ältesten an, und alle nickten zustimmend, auch wenn einer der Männer zweifelnd an seinem Bart zupfte. »Also gut. Verin sagte mir, dass die Zeit drängt. Ich werde Euch selbst zum Tor begleiten.« Rand fühlte sich teils erleichtert, teils fürchtete er sich auch, da fügte sie hinzu: »Ihr habt einen jungen Ogier dabei. Loial, Sohn des Arent, Sohn des Halan, aus dem Stedding Schangtai. Er ist weit weg von seiner Heimat.«
»Wir brauchen ihn«, sagte Rand schnell. Er sprach langsamer, als ihn die Ältesten und Verin erstaunt ansahen, aber trotzig fuhr er fort: »Wir brauchen ihn bei uns, und er will auch bei uns bleiben.«
»Loial ist unser Freund«, sagte Perrin, und gleichzeitig erklärte Mat: »Er ist uns nicht im Weg, und er sorgt schon für sich selbst.« Die beiden fühlten sich unter der plötzlichen Aufmerksamkeit der Ältesten sichtlich unwohl, aber sie machten keinen Rückzieher.
»Gibt es einen Grund, warum er nicht mit uns kommen kann?«, fragte Ingtar. »Wie Mat schon sagte, hält er sich gut. Ich weiß nicht, wozu wir ihn brauchen, aber wenn er mitkommen will, warum …«
»Wir brauchen ihn«, unterbrach ihn Verin in verbindlichem Tonfall. »Nur noch wenige kennen die Kurzen Wege, aber Loial hat sich lange mit ihnen beschäftigt. Er kann auch die Wegweiser entziffern.«
Alar sah einen nach dem anderen an. Dann kehrte ihr Blick zu Rand zurück. Lange musterte sie ihn. Sie wirkte, als wisse sie über alles Bescheid. Auch die anderen erweckten diesen Eindruck, jedoch nicht in demselben Maße. »Verin sagt, Ihr seid Ta’veren «, fragte sie schließlich, »und ich spüre das auch in Euch. Die Tatsache, dass sogar ich das spüren kann, bedeutet, dass Ihr bis zu einem hohen Grad Ta’veren seid, denn wenn überhaupt, dann ist dieses Talent in uns nur sehr schwach ausgeprägt. Habt Ihr Loial, den Sohn des Arent, Sohn des Halan, in das Ta’maral’ailen hineingezogen – in das Gewebe, das vom Großen Muster um Euch gewebt wird?«
»Ich … ich will nur das Horn finden und …« Rand beendete den Satz nicht. Alar hatte nichts von Mats Dolch erwähnt. Er wusste nicht, ob Verin den Ältesten etwas davon erzählt oder aus irgendeinem Grund geschwiegen hatte. »Er ist mein Freund, Älteste.«
»So, Euer Freund«, sagte Alar. »Nach unserer Anschauung ist er noch sehr jung. Auch Ihr seid jung, doch Ihr seid auch Ta’veren . Ihr werdet auf ihn aufpassen, und wenn das Weben beendet ist, dann sorgt Ihr dafür, dass er sicher ins Stedding Schangtai zurückkehrt.«
»Das werde ich«, bestätigte er. Er hatte ein Gefühl, als werde ihm damit eine wichtige Aufgabe auferlegt, als
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