Die Jagd beginnt
getötet werden. Aber die Frauen verfallen nicht dem Wahnsinn. Es ist besser für sie, zur Damane gemacht zu werden, als ständig Schwierigkeiten zu bereiten, wenn sie in Machtkämpfe verwickelt werden. Und was den Geist betrifft, der sich zuerst die A’dam einfallen ließ, so war das der Geist einer Frau, die sich Aes Sedai nannte.«
Egwene wusste, dass ihr Gesicht von Ungläubigkeit gekennzeichnet sein musste, denn Renna lachte nun offen. »Als Luthair Paedrag Mondwin, der Sohn Falkenflügels, zum ersten Mal dem Heer der Nacht gegenüberstand, fand er unter seinen Gegnern viele, die sich Aes Sedai nannten. Sie stritten untereinander um die Macht und benützten die Eine Macht auf dem Schlachtfeld. Eine davon, eine Frau namens Deain, die glaubte, sie sei besser dran, wenn sie dem Kaiser diente – damals war er natürlich noch nicht Kaiser –, kam, da er in seinem Heer keine Aes Sedai hatte, mit einer von ihr angefertigten Vorrichtung zu ihm, dem ersten A’dam , den sie am Hals einer ihrer Schwestern befestigt hatte. Obwohl diese Frau Luthair nicht dienen wollte, zwang der A’dam sie doch dazu. Also fertigte Deain weitere A’dam an, die ersten Sul’dam wurden auserwählt, und gefangene Frauen, die sich Aes Sedai nannten, erfuhren, dass sie in Wirklichkeit nur Marath’Damane waren, ›Jene, die an die Leine genommen werden müssen‹. Man erzählt, als Deain selbst an die Leine gelegt wurde, hätten ihre Schreie die Türme der Mitternacht erschüttert. Aber natürlich war auch sie eine Marath’Damane , und denen kann man nicht gestatten, frei herumzulaufen. Vielleicht wirst du einmal zu jenen gehören, die die Fähigkeit besitzen, A’dam anzufertigen. Sollte das der Fall sein, wird man dich verwöhnen, da kannst du sicher sein.«
Egwene blickte sehnsüchtig in das Land hinaus, durch das sie ritten. Niedrige Hügel erhoben sich um sie, und die dünne Bewaldung war jetzt vereinzelten Sträuchern gewichen, doch sie war sicher, sich darin verstecken zu können. »Erwartet man von mir, dass ich mich darauf freue, wie ein Schoßhund verwöhnt zu werden?«, fragte sie bitter. »Ein Leben lang an Frauen und Männer gefesselt sein, die mich für eine Art Haustier halten?«
»Keine Männer«, schmunzelte Renna. »Alle Sul’dam sind Frauen. Falls ein Mann ein solches Armband anlegt, könnte es genauso gut die meiste Zeit über an einem Haken an der Wand hängen.«
»Und manchmal«, fügte die blauäugige Sul’dam gefühllos hinzu, »würdet ihr beide gemeinsam schreiend sterben.« Die Frau hatte harte Züge und dünne Lippen, und Egwene wurde klar, dass sie ihren zornigen Gesichtsausdruck wohl ständig trug. »Von Zeit zu Zeit spielt die Kaiserin mit Lords, indem sie sie mit einer Damane zusammenleint. Die Lords kommen ins Schwitzen, und der Hof der Neun Monde wird gut unterhalten. Bis zum Ende weiß der betreffende Lord nicht, ob er es überleben wird oder nicht, und die Damane weiß es natürlich genauso wenig.« Ihr Lachen klang boshaft.
»Nur die Kaiserin kann es sich erlauben, auf diese Art und Weise Damane zu verschwenden, Alwhin«, fauchte Renna, »und ich werde diese Damane nicht schulen, nur damit sie hinterher so weggeworfen wird.«
»Ich habe bisher nichts von einer Schulung bemerkt, Renna. Nur einen Haufen Geschwätz, als ob Ihr und diese Damane Schulfreundinnen wärt.«
»Vielleicht wird es Zeit festzustellen, was sie alles kann«, sagte Renna, wobei sie Egwene musterte. »Beherrschst du die Macht schon gut genug, um über diese Entfernung hinweg zu arbeiten?« Sie deutete auf eine hohe Eiche, die einsam auf einer Hügelspitze stand.
Egwene betrachtete den Baum stirnrunzelnd. Er stand vielleicht eine halbe Meile von dem Weg entfernt, den die Soldaten mit Suroths Sänfte eingeschlagen hatten. Sie hatte noch nie etwas zu bewirken versucht, was über ihre Armlänge hinausgereicht hätte. Aber sie hielt es nicht für unmöglich. »Ich weiß nicht«, sagte sie.
»Versuch es«, meinte Renna. »Fühle den Baum. Fühle den Saft im Baum. Ich will, dass du ihn erhitzt, und zwar derart stark, dass jeder Tropfen Saft in jedem Ast innerhalb eines Augenblicks verdampft. Tu es!«
Egwene war entsetzt über sich selbst, denn sie fühlte den Drang, Rennas Befehl auszuführen. Sie hatte zwei Tage lang nicht mehr die Macht gelenkt, nicht einmal Saidar berührt. Der Wunsch, sich mit der Einen Macht voll zu saugen, ließ sie beben. »Ich …« – nach einem halben Herzschlag hatte sie die Worte »werde das nicht«
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