Die Jagd beginnt
dafür ankleiden, und die anderen sollten entweder dabei helfen oder die Speisen und Getränke vorbereiten, oder …« Sie runzelte besorgt die Stirn. »Es gibt für jeden hier mehr als genug Arbeit, seit die Amyrlin eingetroffen ist. Und sie waren nicht nur hier in den Frauenquartieren. Ich sah Lady Amalisa selbst in der Nähe des Kühlraums aus einem Lagerraum kommen, und sie hatte das Gesicht voller Staub.«
»Das ist doch lächerlich. Warum sollte sie sich an der Suche beteiligen? Oder auch die anderen Frauen, was das betrifft. Sie würden Lord Agelmars Soldaten und die Behüter dafür einsetzen. Und die Aes Sedai. Sie müssen irgendetwas für das Fest vorbereitet haben. Licht noch mal, ich weiß nicht einmal, wie die Shienarer ein Fest feiern.«
»Du bist manchmal auch ein rechter Wollkopf, Rand. Die Männer, die ich sah, wussten auch nicht, was die Frauen dort trieben. Ich hörte, wie sich welche beklagten, dass sie die ganze Arbeit am Hals hätten. Ich weiß, dass es eigentlich keinen Sinn ergibt, wenn sie nach dir suchen. Keine der Aes Sedai schien sich dafür zu interessieren. Aber Amalisa hat sich nicht auf das Fest vorbereitet, indem sie in einem Lagerraum ihr Kleid beschmutzte. Sie suchten nach etwas, etwas Wichtigem. Selbst wenn sie gleich begonnen hätte, nachdem ich sie traf, hätte sie kaum noch Zeit zu baden und sich zu richten. Und weil ich gerade dabei bin: Wenn Egwene nicht bald zurückkommt, muss sie überlegen, ob sie sich noch umzieht und dafür zu spät kommt.«
Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass Nynaeve nicht die typische Zwei-Flüsse-Wollkleidung trug, an die er gewöhnt war. Ihr Kleid aus blassblauer Seide war um den Hals und an den Ärmeln mit Schneeflockenblüten bestickt. Im Mittelpunkt jeder Blüte befand sich eine kleine Perle, und ihr Gürtel war mit Silber beschlagen und hatte eine Silberschnalle, die mit Perlen besetzt war. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Selbst die Festkleidung zu Hause konnte sich nicht damit vergleichen.
»Du gehst zum Fest?«
»Natürlich. Auch wenn Moiraine nicht gesagt hätte, dass ich kommen solle, wäre ich trotzdem …« Ihre Augen blitzten einen Moment lang feurig, und er wusste, was sie meinte. Nynaeve ließ niemanden in dem Glauben, sie fürchte sich vor etwas, selbst wenn es stimmte. Ganz sicher nicht Moiraine und schon gar nicht Lan. Er hoffte, sie wisse nicht, dass er sich über ihre Gefühle dem Behüter gegenüber im Klaren war.
Einen Augenblick später wurde ihr Blick wieder weicher, als er auf den Ärmel ihres Kleides fiel. »Lady Amalisa hat mir das gegeben«, sagte sie so leise, dass er sich fragte, ob sie ein Selbstgespräch führe. Sie streichelte über die Seide und fuhr gedankenverloren der Blumenstickerei nach.
»Es steht dir sehr gut, Nynaeve. Du siehst heute sehr hübsch aus.« Er duckte sich, kaum dass er das ausgesprochen hatte. Jede Dorfheilerin war empfindlich, was ihre Autorität betraf, und Nynaeve war noch empfindlicher als die meisten. Der Frauenkreis zu Hause hatte ihr immer über die Schulter geschaut, weil sie so jung war, und vielleicht auch, weil sie hübsch war, und ihre Streitigkeiten mit dem Bürgermeister und dem Dorfrat waren bereits der Stoff von Legenden.
Ihre Hand zuckte von den Stickereien zurück, und sie funkelte ihn an. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Er sprach ganz schnell, um ihr zuvorzukommen.
»Sie können die Tore nicht die ganze Zeit über geschlossen halten. Sobald sie wieder geöffnet sind, bin ich weg, und die Aes Sedai werden mich nie finden. Perrin sagt, in den Schwarzen Hügeln und auf der Caralain-Steppe gibt es Gegenden, da kann man tagelang laufen, ohne einen einzigen Menschen zu sehen. Vielleicht … vielleicht komme ich noch darauf, was ich tun kann, um …« Er zuckte unsicher die Achseln. Er brauchte ihr das gar nicht erst zu sagen, ihr nicht. »Und wenn ich das nicht schaffe, so gibt es dort wenigstens niemanden, den ich verletzen kann.«
Nynaeve schwieg einen Augenblick und sagte dann bedächtig: »Ich bin da nicht so sicher, Rand. Ich kann nicht behaupten, dass du anders als irgendein Dorfjunge auf mich wirkst, aber Moiraine besteht darauf, dass du ein Ta’veren bist. Vermutlich glaubt sie, dass das Rad mit dir noch lange nicht fertig ist. Der Dunkle König scheint …«
»Shai’tan ist tot«, sagte er rau, und plötzlich schien der Raum zu schwanken. Er griff sich an den Kopf, als ihn ein Schwindelanfall nach dem anderen überfiel.
»Du Narr! Du reiner,
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