Die Jagd des Adlers
brachte er einen Steuereintreiber um, und damit begann sein Leben auf der Flucht. Es gibt viele wie ihn in den Bergen, und nach und nach gelang es ihm, sie auf seine Seite zu ziehen. Ich nehme an, die Rednergabe meines Sohnes muss ein wenig auf ihn abgefärbt haben. Eine Zeit lang kam er regelmäßig zu mir und hat versucht, mich von seiner Sache zu überzeugen. Wenn die Mutter der Galionsfigur der Bewegung auf seiner Seite war, dann, so wusste er, würde er viel größere Unterstützung finden. Ich weigerte mich, und seither betrachtet er mich nicht mehr mit der wohlwollenden Zuneigung, die er mir gegenüber einst gezeigt hat. Doch wie auch immer – inzwischen hat er auch ohne mich eine große Anhängerschaft gefunden, wie ihr Römer selbst bemerkt habt.«
»Allerdings.« Cato nickte. »Aber solange sie sich in den Bergen verstecken, können wir das Problem einigermaßen eindämmen. Entscheidend ist jedoch, dass ich gehört habe, wie er über Hilfe von außen gesprochen hat.«
»Darüber hat er gesprochen? Wann?«
»Als Symeon und ich uns unter deinem Haus versteckt haben. Ich habe Bannus draußen reden gehört. Er sagte, er erwarte Hilfe von irgendwelchen Freunden.«
»Ja, ich erinnere mich. Er wirkte ziemlich aufgeregt angesichts dieser Vorstellung. Ich habe mich gefragt, wen er wohl damit meint.«
Einen Moment lang starrte Cato die Erde zwischen seinen Stiefeln an, bevor er darauf einging. »Wer am meisten durch eine Unterstützung von Bannus gewinnen könnte, sind die Parther. Das ist es, was mir Sorgen macht.«
»Die Parther?« Miriam starrte ihn an. »Warum sollte Bannus bei den Parthern Unterstützung suchen? Die Parther stellen für uns eine größere Bedrohung dar, als Rom es jemals sein könnte.«
»Ich glaube, dass du recht hast«, erwiderte Cato. »Aber es sieht so aus, als ob Bannus uns mehr hasst als alles andere auf der Welt. Ich nehme an, dass er nach dem Motto vorgeht: Der Feind meines Feindes ist mein Freund . Er wäre nicht der Erste in der Geschichte, dem diese Vorstellung überaus anziehend vorkommen dürfte. Und wenn das zutrifft, dann besteht sogar die Gefahr, dass er einen Aufstand anzettelt, der die ganze Machtfülle Roms über diese Region bringen würde.« Sogar schon während er diese Worte aussprach, fühlte Cato sich nicht wohl dabei, denn sie entsprachen nicht ganz der Wahrheit. Sie trafen nur dann zu, wenn Cassius Longinus sich nicht als Verräter erwies. Wäre es anders, gäbe es überhaupt keine römische Armee, die sich Bannus entgegenstellen könnte, nur ein paar verstreute Garnisonen, die aus Hilfstruppen bestanden, wie etwa die Kohorte in Bushir. Wenn keine Legionen in Syrien standen und Bannus schnell genug zuschlug, dann konnte die römische Vorherrschaft in Judäa mühelos beiseitegewischt werden. Dieses Wissen durfte er Miriam nicht anvertrauen. Er musste sie davon überzeugen, dass Bannus niemals Erfolg haben und nichts als Feuer und Schwert über die Judäer bringen würde. Nur dann würde Miriam alles tun, um Bannus und seine möglichen Unterstützer von ihren Plänen abzubringen. Cato beschloss, das Thema zu wechseln.
»Wenn Bannus ein Kriegstreiber ist, wofür stehst dann du mit deinen Leuten? Wofür genau?«
»Bannus ist kein Kriegstreiber«, sagte Miriam leise. »Er ist eine gequälte Seele, deren Trauer zu einer Waffe verzerrt wurde. Er hat den Menschen verloren, der ihm im Leben am nächsten stand, und er weiß nicht, wie er vergeben kann. Das ist der Punkt, in dem wir uns unterscheiden, Cato … Oder wenigstens ist das der größte Unterschied zwischen uns. Meine Leute sind fast das Einzige, was noch von der wahren, ursprünglichen Bewegung übrig ist. Nachdem wir gesehen haben, zu was für einem Vipernnest Jerusalem geworden war, haben wir beschlossen, uns einen Ort zu suchen, an dem wir alleine und fern von anderen Menschen leben können. Deshalb sind wir hierhergekommen. Ich wollte nicht an all diejenigen erinnert werden, die meinem Sohn das Leben genommen haben.« Ihre Lippen zitterten einen Moment lang. Dann schluckte sie und fuhr fort: »Wir stehen außerhalb ihres Gesetzes, und wir heißen alle willkommen, die sich uns anschließen möchten.«
»Wirklich alle ?« Cato lächelte. »Auch Nichtjuden?«
»Noch nicht«, gab Miriam zu. »Doch es gibt bereits einige unter uns, die unsere Bewegung ausweiten und unseren Glauben unter anderen Völkern verbreiten möchten. Das ist die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass das Erbe meines Sohnes ihm
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