Die Jagd des Adlers
nicht doch noch ins Grab folgt.« Sie hielt inne und strich sanft mit ihrer Hand über das Kästchen. »Im Augenblick jedoch ist dieses Dorf so gut wie alles, was wir haben. Wie du gesagt hast: Es ist nicht das Paradies auf Erden, aber wenigstens sind wir frei von allen Ideen, die Menschen gegeneinander aufhetzen. Und das ist dann durchaus eine Art Paradies, Cato. Jedenfalls war es das, bis du mit Symeon hier aufgetaucht bist.«
Cato wandte sich ab und sah zurück zum Dorf, wo er die schwarzen Eckbalken von Miriams Haus gerade noch erkennen konnte.
»Erzähl mir von Symeon. Wie kommt es, dass du ihn so gut kennst?«
»Symeon?« Miriam lächelte. »Auch er war einer der Freunde meines Sohnes. Ein sehr enger Freund. Ich nehme an, dass das auch der Grund dafür ist, warum es zwischen Symeon und Bannus so schlecht steht. Sie waren gute Freunde, bevor sie um Jehoshuas Zuneigung zu konkurrieren begannen. Ich glaube, am Ende war es offensichtlich, dass er Symeon vorzog. Jehoshua hatte einen Spitznamen für ihn. Wie war der noch mal? Ah, ja. Kipha .« Wieder lächelte sie freundlich. »Das heißt Fels in deiner Sprache.«
»Wusste Bannus, dass dein Sohn Symeon besonders mochte?«
»Ich fürchte, ja. Ich bin sogar sicher, dass das ein Grund für seine Bitterkeit ist.«
»Was ist mit Symeon nach dem Tod deines Sohnes passiert?«
»Er hat eine Zeit lang versucht, die Bewegung in Jerusalem am Leben zu erhalten. Doch die Priester heuerten Leute an, die ihn aufspürten und seine Frau und seine Söhne umbrachten. Symeon floh aus der Stadt und blieb lange verschwunden. Dann tauchte er vor ein paar Jahren plötzlich wieder hier auf. Seither zieht er hier kreuz und quer durch die Region. Mit den Anhängern meines Sohnes hält er Kontakt, so gut er kann, auch wenn ich ihn hier draußen selten genug zu Gesicht bekomme. Nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde. Er ist ein guter Mensch. Er hat das Herz auf dem rechten Fleck, und eines Tages wird er sich irgendwo niederlassen und sich ganz und gar irgendeiner Aufgabe widmen.« Miriam lächelte. »Jedenfalls hoffe ich, dass er das tun wird.«
»Dann kann ich ihm also vertrauen.« Cato sprach die Feststellung wie eine Frage aus, und er war erleichtert, als Miriam nickte.
»Du kannst ihm vertrauen.«
»Gut. Es ist wichtig, dass ich das weiß. Und dass ich weiß, wo Bannus und seine Männer sich verstecken.«
Miriam musterte ihn mit festem Blick. »Ich weiß nicht, wo ihr Lager ist, Centurio. Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen. Nur weil ich dich gerettet habe, bin ich noch lange nicht auf eurer Seite. Ich würde Bannus dir gegenüber genauso wenig verraten wie dich gegenüber ihm. Sollte ich die Möglichkeit dazu bekommen, würde ich alles tun, was ich kann, um Bannus und seine Anhänger davon zu überzeugen, dass sie ihren Kampf aufgeben und zu ihren Familien zurückkehren sollen. Bis dahin werde ich mich aus eurem Konflikt heraushalten. Was auch für meine Leute gilt. Ich möchte dich bitten, uns einfach in Ruhe zu lassen.«
»Das würde ich gerne«, sagte Cato leise. »Du hast schon mehr als genug ertragen. Ich bin nur nicht sicher, ob du dich aus allem heraushalten kannst. Es könnte der Punkt kommen, an dem du dich auf eine Seite schlagen musst, und sei es auch nur, um dich und deine Leute zu schützen. Und dazu könnte es früher kommen, als du denkst. Wenn ich du wäre, würde ich darüber nachdenken.«
»Meinst du etwa, dass ich das nicht schon längst getan habe?«, sagte Miriam verzweifelt. »Ich denke jeden Tag daran, und immer frage ich mich, was Jehoshua getan hätte.«
»Und?«
»Ich bin nicht sicher. Er würde sagen, dass wir uns an dieser Auseinandersetzung nicht beteiligen sollen und stattdessen für den Frieden eintreten müssen. Aber was ist, wenn uns niemand zuhört? Manchmal glaube ich, dass Symeon recht hat.«
»Was sagt er denn?«
»In gewissen Situationen, so meint er, ist es nicht möglich, dass Menschen nur mit Worten für den Frieden eintreten; sie müssen auch dafür kämpfen.«
»Für den Frieden kämpfen?« Cato lächelte. »Ich glaube, ich verstehe nicht ganz, wie das funktionieren soll.«
»Ich auch nicht.« Miriam lachte. »Die Gedanken der meisten Männer sind nicht besonders schlüssig, wenn sie zu philosophieren beginnen, aber sei’s drum. Symeon hat mir gesagt, der Sinn seiner Worte würde ganz offensichtlich werden, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
Cato zuckte mit den Schultern. Das alles
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