Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
den Schädel geklatscht. Das ist nicht besonders bequem, kann ich euch sagen. Andererseits hatte ich Angst, dass die Perücke trocknen und schrumpfen oder gar steif werden würde. Außerdem war ich jetzt Simone. Und Simone hatte üppige braune Locken.
Bald würde Simone eine richtig scharfe Braut sein. Oder zumindest weniger offensichtlich männlich.
Wie sich herausstellte, hätten mir Benedicts Klamotten sowieso nicht gepasst. Er überragte Hillary, die in etwa meine Größe hatte, um Längen.
Ich entdeckte ein verführerisches Höschen. Es war aus königsblauem, schimmerndem Stoff und unterschied sich nicht groß von den Stringtangas, die Stripperinnen normalerweise tragen. Mit nichts als der Perücke und dem Höschen am Leib sah ich ziemlich seltsam aus.
Ich fügte eine Strumpfhose hinzu und kam mir vor wie der Kerl, den ich mal gesehen habe, als mich eine alte Bekannte in Schwanensee geschleppt hat. Oh, wie lieblich er springen und tanzen konnte!
Ich hätte am liebsten einen Stuhl in den Spiegel geschmettert. Doch zerbrochene Spiegel bringen Unglück, und dieser war so groß wie die Schranktür, was mir wohl mehr als die üblichen sieben Jahre eingebracht hätte. Gerade jetzt konnte ich jedes Quäntchen Glück brauchen, also ließ ich es bleiben.
Klar, ich hätte mich auch einfach umdrehen können. Hab ich aber nicht. So sehr ich mein lächerliches Spiegelbild auch hasste, es machte mich neugierig.
Als ich den zum Höschen passenden BH anhatte, war der Spiegel plötzlich mein Freund. Ich knüllte Taschentücher zusammen und stopfte die Körbchen damit aus. Jetzt sah ich nicht mehr aus wie ein schwuler Balletttänzer. Ich war eine Frau.
Simone.
Sie machte mich richtig an. Das kann ich euch ruhig verraten. Schließlich habe ich heute schon weitaus schlimmere Sachen vom Stapel gelassen, findet ihr nicht?
Sie sah toll aus. Ich warf mich in Positur und betrachtete sie aus jedem Winkel. Natürlich war sie ich – ich bin ja nicht geisteskrank oder so. Aber ich habe nun mal eine starke Einbildungskraft, und es fiel mir leicht, so zu tun, als wäre sie eine Fremde. Eine fremde Schönheit.
Ich betastete ihre Brüste, aber sobald ich die zusammengeknüllten Taschentücher spürte, erhielt meine Erregung einen empfindlichen Dämpfer. Na ja, weiter im Text.
Jetzt hielt ich Ausschau nach einem Rock.
Die jungen Frauen in L. A. tragen keine Röcke mehr, sondern stattdessen Shorts, Jeans oder Trainingshosen. Damit habe ich kein Problem. Ich bin keiner von diesen alten Knackern, die glauben, dass eine Frau nur wirklich Frau sein kann, wenn sie einen Rock trägt. Nein, ich verfolge diesen Trend mit Neugier. Weshalb ist das so?
Der eigentliche Unterschied – der elementare Unterschied – zwischen einer Hose und einem Rock ist, dass
Röcke zwischen den Beinen offen sind, während man bei einer Hose noch ein Stück Stoff dazwischen hat.
Ob Röcke aus genau diesem Grund nicht mehr getragen werden?
Und was hat das zu bedeuten?
Fühlen sich die Frauen sicherer und weniger verletzlich, wenn sie nicht so leicht zugänglich sind? Ich jedenfalls fühle mich sehr verletzlich, wenn ich meinen Connie-Rock anhabe. Aber das ist mir nicht unangenehm, im Gegenteil, es macht die Sache nur noch spannender. Im Alltag mag das sichere Gefühl, das einem eine Hose verleiht, für viele einen Vorteil darstellen.
Aber was weiß ich schon?
Ich wollte einen von Hillarys Röcken oder Kleidern anziehen. Das hatte viele Gründe. Nicht zuletzt den, dass eine Hose, wenn ich mich der Welt als Frau präsentieren wollte, ganz schön unpassend gewesen wäre.
Ich war auf der Suche nach der totalen, vollständigen Illusion.
Niemand sollte auch nur für einen Sekundenbruchteil daran zweifeln, dass es wirklich eine Frau war, die er da vor sich hatte, und nicht nur ein langhaariger Kerl.
Schließlich entschied ich mich für einen kurzen Jeansrock und eine hellgelbe Bluse. Die Ärmel der Bluse endeten in weiten, etwas ausgeleierten Puffärmeln. Ich ließ die obersten Knöpfe offen stehen, um die Blicke der Männerwelt auf mich zu ziehen. Im Spiegel sah es so aus, als hätte ich tatsächlich ein Dekolleté – was wohl an dem ausgestopften BH lag, den man übrigens durch den Stoff der Bluse sehr gut erkennen konnte.
Mein Adamsapfel war so klein, dass ich keinen Schal brauchte, um ihn zu überdecken. Transvestiten versuchen
ja immer, ihren Hals zu verbergen. Da ist ihre Männlichkeit nämlich am offensichtlichsten. Schwierig, die feine Dame zu
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