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Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Titel: Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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will, dass du einen Blick auf ihn wirfst – nur um sicherzugehen. Los.« Er ging voraus.
    Andy und Jody folgten ihm.
    Zu beiden Seiten der Eingangstür befanden sich lange, schmale Fenster mit gelben Vorhängen. Ein paar Tage nachdem sie hier eingezogen waren, hatte Dad einen Glaser gerufen, der die Scheiben durch dicke, durchsichtige Acrylglasplatten ersetzt hatte. Dem Mann hatten zwei Finger der rechten Hand gefehlt. Jody war damals vier Jahre alt gewesen. »Wieso haben Sie so wenig Finger? «, hatte sie gefragt. Der Mann hatte gelächelt. »Ich war hungrig und hab sie gegessen. Vielleicht sollte ich mit deinen weitermachen. Die sehen auch ziemlich lecker aus.« Es war eine von Jodys frühesten Erinnerungen. Mom war damals noch am Leben gewesen. Sie hatte die Unterhaltung aus der Küche mit angehört und war entsetzt. Über Jody, die so unverschämte Fragen stellte, über die Antwort des Arbeiters und auch über Jodys Reaktion. Das kleine Mädchen war nicht kreischend davongerannt, sondern hatte mit fester Stimme verkündet: »Versuch nur, mich zu beißen, Blödmann. Dann reiß ich dir den
Kopf ab .« Jody konnte sich nicht erinnern, das gesagt zu haben, doch ihre Mutter erzählte es jedem, der es hören wollte. Selbst ihr Dad gab die Geschichte zum Besten, wenn ihn einer seiner Freunde darauf hinwies, wie gefährlich Fenster direkt neben der Eingangstür waren. Seine Kumpels waren natürlich ebenfalls Polizisten und fanden Jodys Begegnung mit dem Fingerfresser zum Brüllen komisch.
    Bis jetzt hatte sie geglaubt, dass sie der Mann nur veralbern wollte. Schließlich essen Menschen keine Finger.
    Doch inzwischen war sie sich da gar nicht mehr so sicher.
    Nach letzter Nacht konnte sie nichts mehr überraschen. Finger zu essen kam ihr im Vergleich zu Hauthosen aus den Hinterteilen anderer Leute fast normal vor.
    Ihr Vater ging zum Fenster auf der rechten Seite der Tür und zog den Vorhang zurück.
    Wie hat die Vorderseite der Hose wohl ausgesehen?, fragte sich Jody.
    Ich will es gar nicht wissen.
    Dad winkte Andy zu sich. »Sieh ihn dir mal an. Er ist gerade in die Einfahrt gebogen.«
    Andy stellte sich neben ihn. Während sie gemeinsam aus dem Fenster spähten, legte ihr Vater eine Hand auf die Schulter des Jungen.
    Eine Autotür fiel ins Schloss.
    »Er ist es«, sagte Andy.
    »Also gut. Ihr geht rüber.« Er wartete, bis sie im Wohnzimmer waren. Dann riss er die Tür auf.
    Andys Onkel blieb auf der Schwelle stehen, lächelte nervös und reckte den Hals. »Jack Fargo?«

    »Stimmt genau.« Er ging einen großen Schritt vorwärts und streckte die rechte Hand aus.
    »Wilson Spaulding, Andys Onkel.« Wilsons Kopf bewegte sich beim Sprechen ruckartig hin und her und hörte auch nicht auf zu wackeln, als er zu Ende geredet hatte. Er hatte eine näselnde Stimme, müde Augen und schien kein Kinn zu besitzen. Außerdem war er klein und schlaksig und versuchte, seine Hühnerbrust zu verbergen, indem er die Schultern nach vorne hängen ließ. Auf seinem Kopf saß ein Käppi, auf dem ein Abzeichen mit zwei gekreuzten Golfschlägern zu sehen war. Er trug ein blaues Poloshirt, weiße Shorts, zum Shirt passende Kniestrümpfe und große schwarze Lederschnürschuhe.
    Oh Mann, dachte Jody.
    »Freut mich, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte Dad und zerrte ihn förmlich ins Haus.
    Wilson grinste. »Ich bin eben von der ganz schnellen Truppe«, sage er.
    Was für eine Knalltüte, dachte Jody.
    »Da bist du ja«, sagte Wilson, deutete mit dem Finger auf Andy und schlurfte auf ihn zu.
    Andy versteifte sich, als würde er eine Verteidigungsposition einnehmen. »Hi, Onkel Willy.«
    Wilson schlang seine dünnen Arme um ihn und klopfte ihm auf den Rücken. »Was für eine schreckliche, schreckliche Sache. Du armer Junge, du armer Junge.« Wilson wandte sich Jodys Vater zu, ohne Andy loszulassen. Es sah aus, als würden sie ein Tänzchen wagen. »Wir sind am Boden zerstört, Jack. Untröstlich. Es ist ja so schrecklich.«
    »Zumindest hat es Andy geschafft«, sagte Dad. »Und meine Jody hier.«

    »Also das ist Jody.«
    Er ließ Andy los und näherte sich Jody mit ausgebreiteten Armen und einem seltsamen, traurigen Grinsen im Gesicht. »Ich weiß alles über dich, Jody. Alles.«
    Sie blieb teilnahmslos stehen.
    Andy sah sie an. Jetzt bist du dran, schien er damit sagen zu wollen. Mal sehen, wie es dir gefällt.
    Wilson umarmte sie und zog sie an sich. Er war dürr und knochig. Er klopfte ihr auf den Rücken und streichelte darüber.

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