Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
Blick ihres Vaters hielt sie davon ab, Willy zu widersprechen.
»Hier ist es nicht sicher«, erklärte Willy. »Ich bin heute Morgen um elf aus der Arbeit gekommen und habe den ganzen Tag damit verbracht, hierherzufahren, um dich abzuholen. Weil du hier in Gefahr bist. Wider besseres Wissen bin ich sogar zum Essen geblieben – was ein unnötiges Risiko für uns beide war.« Er lächelte und nickte dabei wie wild. »Damit will ich nicht sagen, dass mir das Essen nicht geschmeckt hat. Es war köstlich. Sagen Sie’s ihm, Jacko.«
Dad rieb sich über die linke Wange und sah Andy an. »In Arizona ist es sicherer als hier, so viel steht fest.«
»Hörst du? Der Mann ist Polizeibeamter, er muss es wissen«, sagte Willy.
Jody wäre beinahe in die Luft gegangen. »Dad! Was ist, wenn sie die Kerle nicht erwischen? Bedeutet das, dass ich Andy für den Rest meines Lebens nicht mehr zu Gesicht bekomme? Das ist nicht fair !«
Ihr Vater machte eine beschwichtigende Geste. »Beruhig dich, Schatz«, sagte er. »So ist es ja nun auch wieder nicht. Wir müssen einfach improvisieren. Sobald sich die Wogen geglättet haben, können wir ja über einen Besuch nachdenken.« Er sah den Jungen an. »Einverstanden?«
»Ja, glaube schon.«
»Ich ruf dich morgen gleich an«, fügte Jody hinzu.
»Gibst du ihnen deine Nummer, Onkel Willy?«
»Die hab ich schon«, sagte Dad.
Sie beendeten schweigend das Abendessen. Jody hatte Mühe mit ihrem Hamburger, obwohl er genauso zart, saftig und lecker wie alle anderen Burger war, die ihr Vater auf dem Grill zubereitete. Doch jetzt schien er nur aus schweren, trockenen Klumpen zu bestehen, die sie kaum hinunterschlucken konnte. Nach der Hälfte gab sie auf, knabberte ein paar Pommes und nippte an ihrer Pepsi.
Andy hatte anscheinend auch keinen rechten Appetit. Trotzdem behielt er seinen Burger die ganze Zeit über in der Hand und nahm ab und zu einen kleinen Bissen.
Er will Zeit schinden, dachte Jody. Denn sobald er fertig gegessen hat, werden sie losfahren.
Dann hatte er den Burger verputzt. »Will jemand ein Eis?«, fragte Dad.
»Klar!«, platzte Andy heraus. Eine weitere Galgenfrist.
»Jacko, ich glaube, darauf müssen wir leider verzichten. Vielen herzlichen Dank, aber wir haben uns schon zu lange hier aufgehalten. Schließlich liegt noch eine lange Fahrt vor uns.« Er zwinkerte Andy zu. »Stimmt’s, kleiner Mann?«
»Wie es aussieht.«
»Sie wollen die ganze Strecke durchfahren?«
»Tja, so bin ich eben. Bei mir gibt’s keine halben Sachen. Ganz oder gar nicht, das ist mein Motto. Immer mit Volldampf voraus, komme, was wolle. Auf in den Kampf!«
»Frei leben oder sterben«, murmelte Jody.
Ihr Vater und auch Andy sahen sie mit großen Augen an.
Wilson Spaulding dagegen nickte und hob den Zeigefinger. »Absolut! Ganz recht! Freiheit oder Tod! Immer voller Einsatz, das gefällt mir! Auf in den Kampf!« Er wandte sich ihrem Vater zu. »Sie haben wirklich eine ganz reizende Tochter.«
»Mehr oder weniger«, murmelte Dad.
Andy lachte, doch Willy schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen. »Wir sollten sie unbedingt mitnehmen. Mit Gewalt, wenn’s sein muss! Wie würde dir das gefallen, junge Dame?«
Die Hoffnung, die sich auf Andys Gesicht abzeichnete, ließ sie jede schnippische Antwort vergessen. »Vielen Dank für das Angebot, Mr Spaulding, aber das geht leider nicht. Ich muss hier bei meinem Dad bleiben.«
Das war sowieso nicht ernst gemeint, du Trottel! Du hast Andy grundlos falsche Hoffnungen gemacht.
»Tut mir leid«, fügte sie hinzu.
»Nicht so schlimm«, sagte Andy. »Ich weiß ja, dass du nicht mitkommen kannst.«
Ihre Kehle schnürte sich zusammen. »Willst du nicht doch noch ein Eis?« Sie wandte sich Willy zu. »Sie können das Eis ja mitnehmen. Wir haben Schokoladeneis und Ben & Jerry’s Toffee …«
»Nein, das geht leider nicht«, fiel ihr Willy ins Wort. »Da bekleckern wir uns noch und …«
Jody sprang so plötzlich auf, dass ihr Stuhl umfiel.
»Sie herzloser Hurensohn! Seine Familie wurde ausgelöscht, und Sie gönnen ihm nicht mal ein verdammtes Eis! Was zum Teufel ist bloß los mit Ihnen?«
Noch während sie ihrem Ärger Luft machte, meldete sich eine leise Stimme in ihrem Kopf: Jetzt sieh dich nur mal an! Du bist übergeschnappt! Völlig durchgeknallt!
Sie ignorierte die Stimme und schrie den Mann weiter an, bis ihr Spucke aus dem Mund schoss und Tränen über die Wangen liefen.
Zunächst war Andy schockiert. Dann fing auch er an zu
Weitere Kostenlose Bücher