Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Ja, Sir?«, bellte Thomas und stand stramm. Die anderen Soldaten nahmen inzwischen halbzivile Verhaltensweisen an, doch für Thomas war das Militär das Leben.
» Sie werden nicht Teil des Rettungsunternehmens sein. Ich habe eine viel wichtigere Aufgabe, um die sich jemand kümmern muss.«
Thomas schaute zuerst finster drein, doch gab dann den Ausdruck auf und nahm wieder Haltung an. » Ich bin bereit, Sir.«
» Sie gehen zu Fuß. Nehmen Sie einen Mann mit– und eine Pistole für jeden. Suchen Sie eine Tankstelle irgendwo am Stadtrand. Ziel Nummer eins: Bringen Sie in Erfahrung, ob Sie genügend Treibstoff für unseren Laster finden. Ziel Nummer zwei: Treiben Sie Batterien für unsere Funkgeräte und– jetzt kommt es– einen Straßenatlas des Westens und Mittelwestens auf. Wenn Sie zum Treffpunkt zurückkehren, fangen Sie sofort an, Routen auszuarbeiten, die uns an unseren Bestimmungsort bringen und von allen Großstädten fernhalten. Dörfer und Marktflecken– das Risiko können wir eingehen oder umfahren. Aber wir dürfen nie– nie– in ein dicht bevölkertes Gebiet kommen.«
Thomas lächelte. Das war eigentlich kein übler Auftrag. In seinen jüngeren Jahren war er immer gern auf Spähtrupp gegangen.
» Ja, Sir! Krueger! Zu mir!«
Krueger, der kleine Scharfschütze, der mit Denton und Brewster nach Hyattsburg gegangen war, kam näher und stand bequem. Wie Thomas waren ihm die militärischen Traditionen nicht auszutreiben.
» Sergeant Major?«, fragte er.
» Schnappen Sie sich für uns zwei Pistolen, und jetzt, da wir Munition haben, fünf Magazine pro Stück. Aber fix. Ich will Sie in fünf Minuten gestiefelt und gespornt wiedersehen.«
» Jawoll, Sergeant Major.« Krueger nickte, machte auf dem Absatz kehrt und lief dorthin, wo zwei Soldaten Stiles’ Beute ausgelegt hatten. Er wählte eine 9-mm für den Sergeant Major aus und hielt inne. Da, auf dem Tisch, lag ein sauber verchromter .357-Magnum-Revolver. Kruegers Augen wurden groß, sein Blick zuckte nach links und rechts, denn er wollte wissen, ob ihm jemand zuschaute. Schließlich schob er die Waffe schnell und grinsend ins Holster, das für eine Beretta bestimmt und deswegen recht eng war. Am Ende sackte er die ausgelegten Schnelllader ein.
» Und jetzt noch ein bisschen Glück«, meinte Krueger und schlenderte zu seinem Netzgeschirr, das neben dem vom Tau benetzten Schlafsack lag. Er befestigte es an seinem Brustkorb, überprüfte alle weiteren Ausrüstungsgegenstände doppelt und lief dann, eine volle Minute zu früh, zu Thomas zurück. Die Beretta reichte er dem Sergeant Major mit dem Griff zuerst. Dessen Blick saugte sich an Kruegers glänzender langläufiger Magnum fest.
» Sie haben ’ne gute Wahl getroffen«, brummte Thomas. » Viel Vergnügen beim Nachladen in einem Feuergefecht.«
» Ich rechne nicht damit, beschossen zu werden, Sergeant«, sagte Krueger fix. » Ich hingegen werde schon ein bisschen rumschießen– und es wird mir mordsmäßigen Spaß machen.«
Thomas wandte sich um und machte sich auf den Weg, um das Schmunzeln auf seinem Gesicht zu verbergen. Die Welt war zu einem Scheißhaus geworden, aber manche Leute schafften es doch immer wieder, dem Leben eine vergnügte Seite abzugewinnen.
Wie sich herausstellte, brauchten die beiden nicht weit zu laufen. Mehrere schmale Landstraßen führten in fast allen Richtungen aus Hyattsburg heraus. Sie überquerten offenes Gelände, auf dem das Gras an diesem kalten Tag unter ihren Füßen angenehm niedrig und knusprig war. Hinter dem Feld befanden sich eine Baumreihe und eine langsam absinkende Rinne. Die Männer bahnten sich einen Weg um die Stämme herum, wobei sie es vermieden, auf am Boden liegende Äste und vertrocknete Blätter zu treten. Durch die Bäume konnte man bereits die nächste Straße sehen.
Sie rutschten den Hang hinab, den die Rinne erzeugt hatte, um der Straße Raum zu geben. In dem Entwässerungsgraben machten sie sich klein und trabten der Ortschaft entgegen, bis sie an einer fernen Biegung außer Sichtweite waren.
Beim Laster bereitete Sherman den Rest seiner Truppe auf den Raubzug in Hyattsburg vor.
» Also los, leert den hinteren Teil des Wagens, um etwas Platz zu schaffen!« Er deutete auf den Laster. » Jeder, der noch nicht rückkehrbereit ist, macht es sich hier bequem. Verläuft alles nach Plan, sind wir kurz nach Mitternacht weg.«
Die Handvoll unbewaffneter Flüchtlinge hatte ein Dickicht am Wegesrand erspäht, in das man sich verziehen konnte,
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