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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Z. A. Recht
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der Verlust persönlicher an. Damals waren sie Hunderte gewesen, in Hyattsburg kaum fünfzig. Jetzt waren sie kaum noch ein Dutzend, es sei denn, sie fanden durch irgendein Wunder Mbutus Laster. Sie hatten noch immer keinen Pieps aus seinem Funkgerät gehört. Sherman hoffte das Beste für die Vermissten, doch tief im Inneren glaubte er, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie es nicht geschafft hatten, immer mehr zunahm.
    Sherman überdachte gerade seinen Angriffsplan auf das, was im Sportartikelgeschäft auf sie wartete, als Jack neben ihm auftauchte. Er gehörte zu den Unbewaffneten, lief aber schweigend neben ihm her und hatte den Rest seiner Kollegen im Versteck gelassen.
    » General«, sagte er mit einem grüßenden Nicken.
    Sherman, noch immer in Gedanken, schaute Jack an. Er nickte ebenfalls, doch dann setzte er eine filmreife Spätzündermiene auf und verzog das Gesicht.
    » Sie sind unbewaffnet, Jack«, sagte er. » Gehen Sie zu den anderen zurück.« Er klang wohl etwas aggressiver als beabsichtigt. Jack hob eine Hand, machte das Friedenszeichen und grinste schief.
    » Ehrlich gesagt, Sherm, ich sitze nicht gern rum«, sagte er.
    Früher hätte es Sherman vielleicht geärgert, wenn ein Zivilist seinen Nachnamen so einfach abkürzte, doch aus dem Mund des freundlichen und empfindsamen Kerles klang er fast liebevoll.
    » Ich möchte gern was tun. Ich habe gestern Ihre kurze Rede über das Wesen des Freiwilligen gehört…Tja, meine Hände sind leer. Aber ich glaube, ich kann sie vielleicht dazu verwenden, Dinge aus dem Laden zu tragen, während jemand, der bewaffnet ist, ein Auge auf meinen Rücken richtet.«
    » Ich weiß nicht«, sagte Sherman achselzuckend. » In engen Räumen wie denen, die wir gleich aufsuchen, ist es immer am besten, wenn man sich auf sich selbst verlässt. Wenn man als Erster um eine Ecke biegt…«
    » Ich weiß, ich weiß. Es ist ein Risiko. Aber die Soldaten da gehen es auch immer ein, wenn sie rausgehen. Es ist mir egal. Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt gern selbst.«
    Sherman musterte den Mann von oben bis unten, wobei er so tat, als schätzte er ihn ein. In Wahrheit hatte er schon in der Sekunde beschlossen, Jack mitzunehmen, als dieser seinen Vorschlag geäußert hatte. Aber es war ganz gut, die Leute hin und wieder im Ungewissen zu lassen. So blieben sie wachsam.
    » Na schön«, sagte Sherman langsam. » Aber wie gesagt: Gehen Sie nicht als Erster um eine Ecke. Lassen Sie meine Jungs das Terrain zuvor freimachen.«
    » Abgemacht. Wie nennt man Sie eigentlich zu Hause, General?«
    » Frank. Ich hab nichts dagegen, wenn man mich so nennt. Nach all den Jahren wird es ein bisschen langweilig, immer nur mit dem Dienstgrad angesprochen zu werden.«
    » Finde ich auch, Frank«, sagte Jack. » Danke, dass ich mitkommen darf. Ich weiß es sehr zu schätzen. Und mach dir keine Sorgen, ich werde niemanden behindern. Na, dann überlass ich dich mal wieder deinen Gedanken.« Er deutete eine kleine Verbeugung an und verlangsamte seinen Schritt.
    Sherman ließ ihn hinter sich und kämpfte die Verlockung nieder, vor sich hinzugrinsen. Fast jeden Tag fanden die Menschen, mit denen er zusammen war, irgendeine Möglichkeit, ihn zu beeindrucken. Es war seltsam. Bevor der Morgenstern-Erreger die sogenannte zivilisierte Welt dezimiert hatte, waren die Menschen ihm mehr oder weniger auf den Senkel gegangen. Nun hatten sich die, die er kannte, ausnahmslos seinen absoluten Respekt verdient. Eigenartig, wie Tragödie, Tod und Gewalt das Ehrenwerte im Menschen an die Oberfläche brachten. Nun endlich erkannten sie, was viele Kämpfer längst wussten– dass das Leben viel unkomplizierter war, als gemeinhin angenommen wurde. Im Grunde ging es nur darum, ob man sterben musste; und wenn man sterben musste, ging es um die Art und Weise, in der man den Löffel abgab.
    Sherman hatte das grimmige Gefühl, dass zumindest einige von denen, die mit ihm unterwegs waren, diese Entscheidung bald würden fällen müssen.
    Am Rand von Hyattsburg
    21 . 34 Uhr
    Einige Stunden zuvor war es dunkel geworden. Sherman war in der Abenddämmerung aufgefallen, dass die Straßenbeleuchtung noch funktionierte. Dies galt auch für ein paar automatische Flutlichter, die bei Einbruch der Nacht angingen. Von einem aus dem Nordwesten stammenden Soldaten hatte er gehört, dass man den Strom in einer ländlichen Stadt erzeugte, in der das Kraftwerk die meisten Jobs lieferte. Die Chancen standen also gut, dass man dort noch

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