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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Z. A. Recht
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wenn die Soldaten den Ort ausraubten. Dort hatten sie etwas Schutz vor Entdeckung, falls ein Infizierter des Weges kam. Es war aber unwahrscheinlich. Seit sie Hyattsburg verlassen hatten, hatte kein Watschler ihren Weg gekreuzt. Aber das war keine Garantie dafür, dass es so bleiben würde.
    » Die Bewaffneten sind abmarschbereit, Sir«, meldete ein Soldat.
    » Dann versuchen wir mal, Stiles auf die Beine zu kriegen.« Sherman blickte in Rebeccas Richtung. » Bringt ihn in den Wagen. Bis es so weit ist, kann er mitfahren.«
    » Er ist bestimmt benommen«, sagte Rebecca warnend.
    Da Sherman anstelle einer Antwort nur nickte, zuckte sie die Achseln und schüttelte Stiles an der Schulter.
    Stiles schwenkte einen Arm, schob ihre Hand fort und runzelte verärgert die Stirn, ohne jedoch zu erwachen.
    Sie versuchte es erneut. Diesmal hielt er ihren Unterarm mit einer blitzschnellen Bewegung fest und machte die Augen auf. » Lass das«, sagte er.
    » Befehl des Generals«, sagte Rebecca. » Sie sollen in den Wagen steigen.« Sie deutete mit dem Daumen nach hinten auf Sherman. » Kann ich meinen Arm jetzt wieder haben?«
    » Yeah«, sagte Stiles. » Yeah. Verzeihung.« Er ließ Rebecca los. Er rappelte sich mit ungelenken Bewegungen auf und lehnte sich schwer gegen den Baum, an dem er gesessen hatte.
    » Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Rebecca.
    » Alles klar.«
    Stiles humpelte zu dem grauweißen Versorgungslaster, wobei er sein Gewehr weiterhin als Krücke benutzte. Wenn er das verletzte Bein belastete, verzog er das Gesicht und warf der Sanitäterin einen Blick über die Schulter zu.
    » Ich beschwere mich nicht über das Morphium, aber haben Sie vielleicht etwas, das auch örtlich betäubt?«, fragte er mit einem Grinsen.
    Rebecca gab keine Antwort.
    » Los jetzt, aufsitzen!«, bellte Sherman und schwenkte einen Arm über dem Kopf. Er wollte, dass alle, die nach Hyattsburg gingen, vor der Abenddämmerung Position bezogen. Es würde noch gut zwölf Stunden dauern, bis die Sonne hinter dem Horizont versank. Doch das würde ihnen nur noch mehr Zeit geben, den Ort auszuspähen, bevor sie ihn betraten.
    ***
    Der Laster verließ das Lager zuerst. Ein Soldat lenkte ihn. Stiles saß auf dem Rücksitz. Sie wollten an den Stadtrand fahren, parken und das wenige Benzin sparen, das noch übrig war. Der Rest der Männer schulterte oder holsterte die Waffen, setzte sich in Marsch und ging in Zweierreihen auf beiden Straßenseiten.
    Sherman war klar, dass er schon wieder gezwungen war, das Leben vieler Menschen aufs Spiel zu setzen, um das Leben weniger zu retten. Es war ein echter Job für Soldaten einer bestimmten Art. Sherman kannte viele Offiziere, die erstarrten, wenn sie einen solchen Auftrag erhielten. Er konnte es ihnen nicht verübeln. Man musste ein verdammt dickes Fell haben oder ein sturer Pragmatiker sein, um mit dem Wissen umgehen zu können, dass ein Plan oder ein Beschluss direkte Auswirkungen auf das Leben hatte– egal auf wessen Seite. Sherman machte es sich leicht. Wer ein Omelett essen wollte, musste Eier in die Pfanne schlagen. Wenn man so etwas sagte, klang es gefühllos und oberflächlich, doch er erinnerte sein Gewissen immer wieder daran, dass der Vergleich ebenso wahr war wie jedes andere Sprichwort, das der gesunde Menschenverstand kannte.
    Welch eigenartige menschliche Neigung, dass jemand zu sterben bereit war, um das Leben anderer zu retten. Wie oft hatte er in der Presse Geschichten wie die des Wanderers gelesen, der sich im Gebirge verlaufen hatte? Dutzende, wenn nicht gar Hunderte eilten in einem solchen Fall aus dem Haus und ließen ihre Arbeit im Stich, um ihn zu retten, und gingen dabei selbst verloren. Oft hatte er von Zivilisten gehört – von Menschen, denen Soldaten nicht allzu viel Ehre zutrauten –, die zehn, zwölf, fünfzehn Mann bei einer Vermisstensuche verloren hatten.
    Ja, wenn man jemanden retten– oder sich ein Omelett braten– wollte, musste man ein paar Eier zerschlagen.
    Sherman wollte lieber zur Hölle fahren, als seine Leute oder zivile Flüchtlinge in einem verfluchten Kino einem langsamen Hungertod auszuliefern, solange noch die Chance bestand, den Spieß umzudrehen.
    Stiles hatte ihnen, wenn sie Hyattsburg irgendwann verließen, eine Kampfchance gegeben. Der Name der Stadt hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in Shermans Mund, und das sogar dann, wenn er nur an ihn dachte. Er hatte hier weniger Leute als in Suez oder Scharm El-Scheich verloren, aber dieses Mal fühlte sich

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