Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
abmurksen konnte. Tut mir leid, dass ich erst so spät komme, Sir, aber nachdem ich ihn erschossen hatte, hab ich ’n paar Stunden gebraucht, um den anderen Infizierten auszuweichen, die aufkreuzten, um zu sehen, was der Krach zu bedeuten hatte.«
» Kein Problem, Stiles«, sagte Sherman.
Rebecca setzte eine scharfe Schere ein, um Stiles’ Hosenbein aufzuschneiden und die Wunde zu enthüllen. Tatsächlich war ein sauberer Gebissabdruck in seinem Fleisch zu sehen.
Rebecca seufzte und begann mit ihrer Arbeit. Sie träufelte Jod in die Wunde, um sie zu sterilisieren. Stiles keuchte auf und knirschte mit den Zähnen, denn es brannte heftig.
» Tja, Sir, kommen wir zu den Fakten«, sagte Stiles. » Ich glaube, sie werden Ihnen gefallen.« Er schaute Rebecca bei ihrer Tätigkeit zu. » Im Parterre ist der Laden von einem Haufen Munition abgesehen fast völlig ausgeplündert. Ich hab aber genug 9-Millimeter-Kugeln erbeutet, um ’ne Weile durchzuhalten. Ich dachte zuerst, das wäre alles, aber dann hab ich noch was gefunden.«
Sherman nickte. » Ja, ich erinnere mich an Ihren Funkspruch. Ich glaube, Sie haben gesagt, dass Sie einen größeren Tornister brauchen.«
» Ja, Sir. Den braucht man. Ich glaube sogar, wir brauchen mehrere Rucksäcke. Ich hab im Keller einen Lagerraum gefunden, der vermutlich die private Waffensammlung des Ladenbesitzers und noch andere gute Sachen enthält. Ich weiß, dass die Kanonen wichtig sind, aber da unten stehen auch Regale mit Fertigfressalien. Wenn wir drei Mahlzeiten am Tag spachteln, können wir damit ’ne Woche auskommen, aber wenn’s nötig ist, kann man es auf drei Wochen strecken.«
» Und die Waffen?«, sagte Sherman. » Wenn die alle so gut in Schuss sind wie das Gewehr da, sollten wir uns mal umschauen.« Er deutete auf Stiles antike Winchester.
Stiles tätschelte traurig das Gewehr in seiner Hand. » Ist das nicht ’ne Scheiße? Da finde ich endlich die Knarre, die ich immer haben wollte, und werde zwei Minuten später, als ich aus dem Laden rausgehe, gebissen.«
» Wenn ich was zu sagen hätte, würde Sie Ihnen gehören, Soldat, selbst im Tod. Sie haben sich verdammt nochmal ein paar Vergünstigungen verdient. Da wir gerade darüber reden…Rebecca?«
» Bin schon dabei, Frank.« Rebecca schaute zu Sherman auf. » Morphium?«
» Oh, Gott, ja, bitte!«, erwiderte Stiles. Ihm gelang sogar ein echtes Grinsen. » Wenn ich schon durchdrehe, will ich mich wenigstens gut dabei fühlen, nicht wahr?«
» Was haben Sie sonst noch gefunden?«
Stiles antwortete nicht mit Worten. Als Rebecca eine Morphiumspritze in seinen Schenkel stach, langte er hinüber und hob das Stoffbündel hoch. Er löste einen der Lederriemen und kippte die mitgebrachten Gewehre auf den Boden. Sherman stieß einen leisen Pfiff aus, nahm eine Schrotflinte an sich und wiegte sie lächelnd in den Händen.
» Das haben Sie gut gemacht, Soldat«, sagte er, noch immer grinsend. » Wirklich!«
» Und da, wo ich sie her habe, sind noch mehr, Sir«, fügte Stiles hinzu. Er lehnte sich gegen einen Baumstamm und machte die Augen halb zu, denn nun begann das Morphium zu wirken. » Da stehen noch ein Dutzend Knarren rum, Sir. Alle möglichen Kaliber.«
» Eine Ruger Mini-14«, sagte Sherman, dessen Blick auf die Waffen fiel. » Und eine Winchester 70! Wunderbar! Und die da haben sogar Zielfernrohre! Damit kann man aus der Ferne allerhand besehen. Damit hat unser neuer Läufer erheblich bessere Chancen.«
» Äh, Sir?«, sagte Stiles mit erschreckter Miene. » Der neue Läufer? Noch bin ich der Läufer!«
» Nein, Stiles, Sie entspannen sich jetzt. Sie haben uns allen einen großen Dienst erwiesen.«
» Bei allem gebührenden Respekt, Sir«, sagte Stiles, » aber Sie können mich mal.«
Sherman war einen Augenblick lang verdutzt, doch dann begriff er, dass diese Bemerkung nicht beleidigend gemeint war. » Schauen Sie«, fuhr Stiles fort. » Ich bin ohnehin schon tot, aber wenn Becky mir ’ne weitere Ladung von dem Schmerzmittel gibt, bevor wir losziehen, kann ich noch immer laufen wie verrückt. Wenn ich dabei ums Leben komme…Na und? Tot bin ich so oder so. Wie ich es sehe, war ich von Anfang an Ihre beste Wahl. Aber jetzt bin ich die perfekte Wahl.«
Shermans Stirn runzelte sich, dann nickte er langsam. Auch diesmal erwies Stiles sich als Mann mit Grips.
» Sehr gut, Stiles.« Dann fragte Sherman: » Darf ich noch was sagen?«
Stiles nickte. Er hatte die Augen noch immer halb geschlossen.
» Wenn
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