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Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Die Jahre der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Z. A. Recht
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schaute durch ein Fernglas. Sie hatte sich lang im Sand ausgestreckt. Hinter ihr stand eine Kiste mit Verpflegung.
    » Wo? Ah, ich sehe sie, gleich hinter der Düne da.« General Sherman schaute durch sein eigenes Fernglas. Ein Schuss krachte. Ein Überträger fiel zuckend zu Boden. Ein Scharfschütze hatte ihn im Nu erledigt. Sherman grinste. » Ein astreiner Treffer! Ein palpabler Treffer!«
    » Was?« Rebecca ließ das Fernglas sinken und schenkte dem General einen neugierigen Blick.
    » Ach, nichts«, sagte Sherman, noch immer grinsend. » Ist von Shakespeare.«
    Rebecca und er hatten sich schnell angefreundet. Sie waren ein eigentümliches Paar: ein Drei-Sterne-General, der vier Jahrzehnte lang Heere kommandiert, an Kampfeinsätzen teilgenommen hatte und mit fast allen Orden ausgezeichnet worden war, die die Vereinigten Staaten zu bieten hatten, und sie, eine Frau von zweiundzwanzig, die das College gerade abgeschlossen und kaum Erfahrungen mit der wahren Welt, sondern nur Ideale, Hoffnungen, Träume und eine schmale weiße Armbinde mit einem roten Kreuz darauf hatte. Dem General kam es so vor, als hätte er plötzlich eine Tochter. Oder wenigstens eine Schülerin. Die Sanitäterin wiederum hatte das Gefühl, einen Ausbilder zu haben.
    » Ach, und von Shakespeare habe ich natürlich keine Ahnung, was?«, erwiderte Rebecca.
    » Bestimmt nicht so viel wie ich. Ein alter General muss auch Hobbys haben.«
    » Ach, armer Yorick, ich kannte ihn…«
    » Hamlet«, sagte Sherman.
    Rebecca fühlte sich herausgefordert. » Die ganze Welt ist eine Bühne, und…«
    » … und alle Frauen und Männer bloße Spieler.«
    » Verflucht, General! Na schön, wie wär’s mit…Verwüstung, Mord! Lasst los…«
    » … die Hunde des Krieges. Julius Cäsar. Dritter Akt, erste Szene. Ihr solltet Eure Ahnen nicht prüfen wollen, Jungfer Rebecca. Wir hatten nämlich viel mehr Zeit als Ihr, uns die Zeilen eines toten Dramatikers einzuprägen.« Sherman lachte leise.
    » Haben Sie je was von Heinlein gelesen?«, murmelte Rebecca.
    » Von wem?«, fragte der geistesabwesende Sherman. Er musterte die restlichen Überträger durch sein Fernglas.
    » Hab ich mir gedacht.« Rebeccas Stimme klang leicht triumphierend. Ein zweiter Schuss knallte. Ein weiterer Überträger fiel, wobei eine kleine Sandwolke aufstob. » Ist wirklich schade, dass das alles nur Watschler sind. Wäre doch schöner, wenn Ihre Scharfschützen etwas mehr gefordert würden.«
    Die Soldaten und ihre Helfer nannten die unbeholfenen Infizierten aufgrund ihrer tölpelhaften Gangart Watschler. Die schnelleren Überträger hießen Sprinter. Insgesamt gesehen hatte man in den letzten Tagen ungefähr hundert Watschler und Sprinter erschossen.
    » Warum sind einige von denen nur so langsam und die anderen so schnell?«, fragte Rebecca.
    General Sherman musterte sie kurz durch sein Fernglas, sagte aber nichts. Obwohl er sein Wissen über den Morgenstern-Erreger und den klaren Beweis, dass er klinisch Tote wiedererweckte, hätte enthüllen können, war es ihm lieber, Rebecca nicht mit diesem Wissen zu belasten.
    Im Moment war dieser Aspekt des Virus nur der mächtigen Elite bekannt– und jenen afrikanischen Flüchtlingen, die selbst gesehen hatten, wie ein Verstorbener auferstanden war. Sherman hatte mehrere Soldaten und Hilfskräfte, die dies von Flüchtlingen gehört hatten, zum Schweigen vergattert und den Flüchtlingen befohlen, es ebenso für sich zu behalten. Er wusste jedoch, dass es unmöglich war, dieses Geheimnis auf ewig oder auch nur über einen längeren Zeitraum hinweg zu bewahren. Die Überlebenden des vergifteten Kontinentes unterstanden niemandes Befehl. Also würde irgendwann jemand schwätzen.
    » Spielt keine Rolle«, sagte er schließlich. » Es betrifft einen ganzen Kontinent. Sie werden wahrscheinlich weiterhin in Grüppchen hier ankommen. Ich glaube, dass den meisten nicht bewusst ist, was sie tun. Sie stromern einfach herum. Wir müssen sie nur isolieren und verhungern lassen.«
    » Wie lange wird das dauern?«, fragte Rebecca. » Ein Mensch verhungert ungefähr nach einer Woche. Aber die Infizierten auf der anderen Kanalseite sind schon seit Wochen da.«
    » Viele von ihnen sind vielleicht schon vor Tagen gestorben«, erwiderte Sherman. » Vielleicht sehen wir immer nur Neuankömmlinge.«
    Rebecca sinnierte über die Möglichkeiten nach.
    » Tja, vielleicht verändert die Krankheit ihren Metabolismus. Kann ein Virus so etwas bewirken? Ich weiß es

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