Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
uns unterwegs. Leider hat die halbe Stadt seine Abfahrt bemerkt und beschlossen, ihn zu jagen.«
Das Satcom-Bild wechselte zur Luftaufnahme eines durch die Wüste holpernden Lasters. Er befand sich genau zwischen Kairo und Suez. Die Überträger waren viele Kilometer hinter ihm, hatten aber eindeutig das gleiche Ziel. Sie marschierten in die Richtung, in die es ihr Opfer zog, und sie würden erst aufgeben, wenn sie es geschnappt hatten oder auf ein anderes stießen.
Nun wusste Sherman, warum Thomas darauf bestand, dass er sich ansehen sollte, was Satcom ihm mitteilen wollte.
» Wann werden sie Suez erreichen?«, fragte er leise.
» Als der Laster nicht mehr zu sehen war, haben die Sprinter verlangsamt«, sagte der Offizier. » Jetzt spazieren sie nur noch und legen pro Stunde drei Kilometer zurück. Wir haben noch Zeit, aber sie werden sehr bald bei uns anklopfen.«
» Wo?«
» In Suez, unten am Ende des Roten Meeres. Ich glaube, dass der Mann in dem Laster durch den Tunnel fahren will. Wie schade, dass wir den gesprengt haben, Sir.«
Sie befanden sich nun bei El Ferdan, nördlich der Stelle, an der die Überträger auf den Kanal stoßen würden. Zwar hockten am gesamten Kanal Soldaten in Schützengräben, aber wenn es an einer bestimmten Stelle zu einem Gefecht kam, wollte Sherman dabei sein. Und nicht nur das. Als ranghöchster Offizier war es seine Pflicht, mittendrin zu sein. Er schaute sich die Bilder noch eine Weile an, dann wandte er sich zu Sergeant Major Thomas um.
» Lassen Sie uns packen, Thomas. Wir fahren nach Suez.«
Washington, D. C.
5 . Januar 2007
20 : 45 Uhr
» Ist diese Geheimniskrämerei wirklich nötig?«, fragte Julie Ortiz. Sie trug eine überdimensionale Pilotensonnenbrille und saß in einem familienbetriebenen Restaurant in der am weitesten von der Tür entfernten Nische. Der Laden war matt beleuchtet und die Bedienung mürrisch, aber das Essen war gut. Dies war einer der beiden Gründe, die Julie vom Gehen abhielten. Der andere Grund, der sie hinderte, ins nächste Drei-Sterne-Restaurant zu flüchten, war ihre Begleiterin.
» Ja, und ob.« Anna Demilio saß ihr gegenüber, mit dem Rücken zur Tür. Sie trug Zivilkleidung und eine verschossene Baseballmütze. » In meiner Wohnung habe ich schon drei Wanzen gefunden. Sie überwachen wirklich jeden, der zum Thema Morgenstern etwas sagen könnte.«
» Woher wissen Sie, dass sie uns jetzt nicht auch beobachten?«, fragte Julie feixend.
» Wahrscheinlich ist es tatsächlich so«, sagte Anna. » Aber ich wollte trotzdem einige Sicherheitsvorkehrungen treffen. Was hat man Ihnen in Sachen Morgenstern eingetrichtert?«
» Den üblichen Scheiß.« Julie nippte an ihrer Kaffeetasse. » Dass der Erreger jetzt vollständig isoliert ist, und die Verlustzahlen sowie die Kostenschätzung für den ganzen Kontinent, wenn er den Abschied einreicht.«
» Hmm.« Anna strich Butter auf eine Scheibe Toast. » Vielleicht mache ich mir mit der Vorstellung, dass das Virus von einem Erdteil zum anderen springt, nur etwas vor. Vielleicht unterschätze ich die Fähigkeiten des Militärs, es einzudämmen.«
» Jetzt klingen Sie aber wie die«, sagte Julie mit gerunzelter Stirn. » Es geht um ein Scheiß- Virus, nicht um ein feindliches Heer. Viren kann man weder erschießen noch mit Raketen vernichten. Man kann nicht die Tür zumachen und hoffen, dass das Mistding anklopft. Es findet immer einen Weg hinein.«
» Weiß ich doch, weiß ich doch!«, sagte Anna. » Haben Sie vergessen, dass ich Epidemiologin bin? Aber Viren brauchen Wirtskörper, um sich auszubreiten. Wir haben Versuche gemacht. Manche Spezies sind natürliche Überträger und entwickeln nie irgendwelche Symptome. Erinnern Sie sich an Reston?«
Julia schaute Anna fragend an.
» Ebola Reston?«, fügte Anna hinzu.
Julie zeigte noch immer keine Reaktion.
» Ebola Reston ist eine Krankheit, die man nach Reston in Virginia benannt hat. Man hat dort in einem Primatenhaus bemerkt, dass einige Affen an einer Art hämorrhagischem Fieber erkrankt waren. Man hat Proben ans CDC und die USAMRIID geschickt und festgestellt, dass es sich um Ebola handelte. Zuerst wurde alles vertuscht. Wir haben Teams für die Abwehr von Biogefahren hingeschickt, um den Zoo zu sterilisieren und die Mitarbeiter unter Quarantäne zu stellen. Die Medienfritzen sind natürlich neugierig geworden, kriegten aber nur Bilder von uns in Schutzanzügen zu sehen und ein paar Spekulationen von Gaffern zu hören. Wir haben die
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