Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Erfahrung.«
» Gibt’s was zu essen? Wasser? Medizinische Vorräte?« Anna schaute über Masons Schulter auf die Bildschirme. Julie lehnte sich hinter ihnen schwer gegen die Kartenwand und hustete hinter vorgehaltener Hand.
» Gleich dort.« Mason deutete mit dem Finger auf den ihm am nächsten befindlichen Spind.
Anna ging hinüber und öffnete die großen Doppeltüren. Sie enthüllten Stapel ordentlich verpackter Fertigmahlzeiten sowie Erste-Hilfe-Kästen. An die Türhälften des Spindes waren schwerere chirurgische Instrumente geschnallt: Kartons mit Latexhandschuhen und sterile Spritzen, Verbandmull, Schienen, Nähseide, Jod und andere Notwendigkeiten.
» Guter Gott«, sagte Anna. » Mit dem ganzen Zeug könnte man einen Monat lang eine ganze Sanitätseinheit versorgen.«
» Ja, alles aus einer Hand«, erwiderte Mason, dessen Blick noch immer an den Bildschirmen klebte. » Alles, was man braucht, auf einer Etage.«
» Wie sieht’s mit Klamotten aus?«, fragte Anna. Sie und Julie trugen noch immer die ihnen ausgehändigte dünne Häftlingskleidung.
» Der Spind neben der Schutzkleidung müsste Hemden und Hosen enthalten.«
Anna entnahm dem Spind einigen medizinischen Kram und klemmte ihn sich unter den Arm. Dann nahm sie noch ein paar Spritzen. Sie stellte ihre Beute auf einen der die Raummitte einnehmenden Klapptische, öffnete einen anderen Spind und sah sich Stapeln ordentlich gefalteter uniformer Bekleidung gegenüber. Schwarze Kampfanzughosen. Weiße, graue und schwarze T-Shirts hingen an Kleiderbügeln. Die Kleider auf den Bügeln glichen abgelehnten Requisiten eines schlechten Kostümzeichners. Sie fand eine Weste, in deren Brustschlaufen mehrere Schrotpatronen steckten, ein verblasstes Hawaiihemd, einen Cowboyhut– alles kunterbunt durcheinander. Anna nahm an, dass es Gegenstände waren, die Agenten zurückgelassen hatten, die hier vorbeigekommen waren, um die Klamotten zu wechseln. Sie nahm zwei Kampfanzughosen und zwei graue Shirts an sich; dann, nach kurzem Überlegen, auch die Weste. Die Taschen konnten ihr vielleicht von Nutzen sein.
» In Ordnung, Julie.« Sie stapelte alles auf einen Haufen und hob ihn hoch. » Gehen wir nach oben und ziehen uns was Bequemeres an. Dann will ich mal nachsehen, ob wir dich wieder zusammenflicken können.«
» Klingt gut.« Julie schluckte einen Hustenanfall herunter. » Schade, dass in dem Schrank keine Hustenbonbons sind.«
» Geht nicht zu weit weg«, riet Mason. » Und bleibt um Himmels willen von den nach draußen führenden Türen und Fenstern weg. Und schaltet kein Licht ein. Und fasst nichts an, von dem ihr nicht wisst, was es ist.«
» Yeah, yeah.«
Als Anna und Julie die Tür am oberen Ende der Treppe öffneten und ins Parterre eintraten, ging mit dem Unterschlupf eine wundersame Verwandlung vor sich. Sie befanden sich in einem in jeder Hinsicht normalen, durchschnittlich eingerichteten Haus. An den Wänden hingen Familienfotos. Auf einem Tisch lag Kleingeld. Jemand hatte einen Mantel über einen Stuhl geworfen. Es wirkte, als sei die Familie mal eben für ein paar Minuten hinausgegangen.
» Gespenstisch«, murmelte Julie, die im Türrahmen stand.
» Das kann man wohl sagen«, stimmte Anna ihr zu. » Na, komm, beeilen wir uns, damit wir wieder nach unten gehen können. Hier oben gefällt es mir nicht so sehr.«
» Mir auch nicht.«
19 . 02 Uhr
Es war so gut wie amtlich: Julie litt an einer Lungenentzündung. Anna vermutete aber, dass sie so schlimm nicht war, und gab ihr Antibiotika aus dem Erste-Hilfe-Kasten sowie eine kleine Dosis Morphium in den Arm, um sie abzulenken. Es würde nicht lange dauern, bis die Medizin anfing zu wirken, doch Julie musste nun für ein Weilchen die zweite Geige spielen.
Sie hatten sich wieder in den sauberen Raum im Keller zurückgezogen und die Tür am oberen Ende der Treppe mit dem schweren Riegel verschlossen. Der Rollladen, der in die Katakomben führte, war ebenfalls geschlossen und die Tür mit einem Spind verrammelt worden. Nun hatten sie für den Fall, dass der Feind sich zeigte, zwei Sicherheitsstufen. Rund um den Computer waren CD s verstreut. Mason hatte festgestellt, dass eine davon eine Beethoven-Kollektion war. Nun lungerten sie im Raum herum, während die Mondscheinsonate die Luft erfüllte.
Mason saß, die Füße auf dem Tisch, im Computersessel und reinigte die Uzi, die er dem Waffenarsenal des Kellers entnommen hatte. Er putzte den Lauf, lugte mit geübtem Auge hindurch, nickte zufrieden
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