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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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zurückzufinden.
    »Hattest du dich versteckt?« fragte Agnes. Sie legte ihm einen Arm vertrauend um den Hals. »Einmal versteckte sich Rosemund in der Scheune und sprang auf mich herunter. Ich schrie, so laut ich konnte.«
    »Warum bist du gekommen, Agnes?« fragte er. »Ist jemand krank?«
    Er hatte ungefähr den gleichen Akzent wie die Leute aus dem Dorf, und der Dolmetscher übersetzte mit kurzer Verzögerung, was er gesagt hatte. Kivrin war ein wenig überrascht, daß sie ihn nicht sofort verstand. Im Krankenzimmer hatte sie trotz ihres Zustandes keine Schwierigkeiten gehabt.
    Er mußte Latein gesprochen haben, dachte sie, denn seine Stimme war unverkennbar dieselbe. Es war die Stimme, die für sie die Sterbegebete gesprochen und ihr gesagt hatte, sie solle sich nicht fürchten. Und sie fürchtete sich nicht. Beim Klang seiner Stimme hörte ihr Herzklopfen plötzlich auf.
    »Nein, niemand ist krank«, sagte Agnes. »Wir wollen mit dir gehen und Efeu und Stechpalmen sammeln. Lady Kivrin und Rosemund und Sarazene und ich.«
    Bei dem Wort »Kivrin« wandte Roche sich um und sah sie bei der Säule stehen. Er setzte Agnes ab.
    Kivrin legte eine Hand an die Säule, um sich zu stützen. »Ich bitte um Vergebung, ehrwürdiger Vater«, sagte sie. »Es tut mir aufrichtig leid, daß ich schrie und vor Euch davonlief. Es war dunkel, und ich erkannte Euch nicht…«
    »Sie weiß nichts«, unterbrach Agnes. »Der böse Mann schlug sie auf den Kopf, und sie erinnert sich an nichts als ihren Namen.«
    »Ich hatte das gehört«, sagte er, den Blick noch immer auf Kivrin. »Ist es wahr, daß Ihr keine Erinnerung habt, warum Ihr hierher unter uns gekommen seid?«
    Sie verspürte das gleiche Verlangen, ihm die Wahrheit zu sagen, das sie gefühlt hatte, als er sie nach ihrem Namen gefragt hatte. Ich bin eine Historikerin, wollte sie sagen, ich bin hergekommen, die Menschen hier zu beobachten, aber ich wurde krank und weiß nicht, wo der Absetzort ist.
    »Sie erinnerte sich nicht mal, wer sie ist«, sagte Agnes. »Sie konnte nicht mal sprechen. Ich mußte es ihr beibringen.«
    »Ihr erinnert Euch nicht, wer Ihr seid?« fragte er.
    Sie verneinte.
    »Und nicht an Eure Ankunft hier?«
    Wenigstens das konnte sie wahrheitsgemäß beantworten. »Nein«, sagte sie. »Nur, daß Ihr und Gawyn mich zum Gutshof brachtet.«
    Das Gespräch begann Agnes zu langweilen. »Können wir jetzt mit dir gehen und Efeu und Stechpalmen sammeln?«
    Er schien sie nicht zu hören, streckte die Hand aus, als wolle er Kivrin segnen, berührte statt dessen aber ihre Schläfe, und sie erkannte, daß er dies auch vorher hatte tun wollen, neben dem Sarkophag. »Ihr habt keine Wunde«, sagte er.
    »Sie ist verheilt«, sagte sie.
    »Wir wollen jetzt gehen«, sagte Agnes und zog an seinem Arm.
    Er hob die Hand, als wollte er wieder ihre Schläfe berühren, dann zog er sie zurück. »Ihr habt nichts zu fürchten«, sagte er. »Gott hat Euch zu einem guten Zweck zu uns gesandt.«
    Nein, hat er nicht, dachte Kivrin. Er hat mich überhaupt nicht hierher gesandt. Das war der Fachbereich Mediävistik. Aber sie fühlte sich getröstet.
    »Danke«, sagte sie.
    »Ich will gehen!« sagte Agnes und zog an Kivrins Arm. »Geh und hol deinen Esel«, sagte sie Pater Roche, »dann holen wir Rosemund.«
    Sie ging durch das Kirchenschiff zum Ausgang, und Kivrin blieb nichts übrig als mit ihr zu gehen, um sie nicht allein davonlaufen zu lassen. Kurz bevor sie den Ausgang erreichten, schlug die Tür zurück, und Rosemund blickte angestrengt blinzelnd herein.
    »Es regnet. Habt ihr Pater Roche gefunden?«
    »Hast du Blackie in den Stall gebracht?« fragte Agnes zurück.
    »Ja. Ihr wart zu spät, und Pater Roche ist fort?«
    »Nein. Er ist hier, und wir gehen mit ihm. Er war in der Kirche, und Kivrin…«
    »Er ist gegangen, seinen Esel zu holen«, sagte Kivrin, um Agnes keine Gelegenheit zu geben, den ganzen Hergang zu schildern.
    »Ich hatte solche Angst damals, als du vom Heuboden sprangst, Rosemund«, sagte Agnes, aber ihre Schwester hatte schon kehrtgemacht und ging zu ihrem Pferd.
    Es regnete nicht, aber in der Luft lag ein feiner Dunst. Kivrin half Agnes in den Sattel und bestieg den Fuchs mit Hilfe der Friedhofspforte. Pater Roche führte den Esel heraus zu ihnen, und sie ritten auf dem Fahrweg an der Kirche vorbei und aufwärts durch die kleine Baumreihe dahinter, am Rand einer schneebedeckten Wiese entlang und weiter in den Wald.
    »Es gibt Wölfe in diesem Wald«, sagte Agnes.

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