Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
»Gawyn tötete einen.«
    Kivrin hörte sie kaum. Sie beobachtete Pater Roche, der neben seinem Esel ging, und suchte sich der Nacht zu erinnern, als er sie zum Herrenhaus gebracht hatte. Rosemund hatte gesagt, Gawyn sei ihm unterwegs begegnet, und er habe Gawyn geholfen, sie den Rest des Weges zum Gutshof zu bringen, aber das konnte nicht richtig sein.
    Er hatte sich über sie gebeugt, als sie am Boden gesessen hatte, gegen das Wagenrad gelehnt. Er hatte etwas zu ihr gesagt, was sie nicht verstanden hatte, und sie hatte gesagt, er möge Mr. Dunworthy sagen, daß er kommen und sie holen solle.
    »Rosemund reitet nicht, wie es sich für ein Mädchen geziemt«, sagte Agnes affektiert. Ihre Schwester war vorausgeritten und wartete in einer Wegbiegung, beinahe außer Sicht, daß sie nachkämen.
    Kivrin rief sie, und Rosemund kam im Galopp zurück, streifte beinahe den Esel und zügelte ihr Pferd.
    »Können wir nicht schneller gehen?« fragte sie, wendete das Pferd und ritt wieder nach vorn. »Wir werden niemals fertig, bevor es zu regnen anfängt.«
    Sie ritten jetzt durch dichten Wald. Die Straße war kaum breiter als ein Saumpfad; von beiden Seiten hingen die Zweige der Sträucher über die ausgefahrenen Wagengleise. Kivrin sah sich um und betrachtete die Bäume, um zu sehen, ob sie Erinnerungen in ihr wachriefen. Sie passierten ein Weidendickicht, aber es säumte die Ufer eines Wasserlaufes, der in ihrer Erinnerung nicht vorkam.
    Auf der anderen Seite des Weges stand ein mächtiger Bergahorn auf einer kleinen, offenen Fläche. In seinen Zweigen hatten sich Misteln angesiedelt. Ein Stück weiter stand eine Reihe von Eisbeerbäumen in so gleichmäßigen Abständen, daß sie hätten gepflanzt sein können. Auch an diese konnte sie sich nicht erinnern.
    Der Dorfpfarrer und Gawyn hatten sie auf diesem Weg ins Dorf gebracht, aber nichts half ihrer Erinnerung auf, nichts sah vertraut aus. Es war zu dunkel und sie war zu krank gewesen.
    Alles, an was sie sich wirklich erinnerte, war der Absetzort, obwohl ihm die gleiche verschwommene, unwirkliche Qualität eigen war wie dem Ritt zum Gutshof. Es war eine kleine Lichtung gewesen, mit einer oder zwei großen Eichen am Rand und einem Weidendickicht. Und Pater Roches Gesicht hatte sich über sie gebeugt.
    Er mußte mit Gawyn dagewesen sein, als er sie fand, oder Gawyn hatte ihn zum Absetzort gebracht. Und auf dem Weg ins Dorf war sie bei der Weggabelung vom Pferd gefallen.
    Bis jetzt waren sie an keine Weggabelung gekommen. Nicht einmal Fußpfade waren von diesem Fahrweg abgezweigt, obwohl es welche geben mußte, die von einem Dorf zum anderen und zu abseits gelegenen Feldern und Weiden führten.
    Sie erreichten den Rücken eines niedrigen Hügels, und Pater Roche blickte zurück, um zu sehen, ob sie folgten. Er wußte, wo der Absetzort war. Kivrin hatte gehofft, daß er eine Vorstellung davon habe, daß Gawyn ihm die Stelle beschrieben habe, aber das war überflüssig gewesen. Pater Roche wußte, wo der Absetzort war. Er war selbst dort gewesen.
    Agnes und Kivrin erreichten die Anhöhe, aber alles was sie sehen konnte, waren Bäume, und mehr Bäume in der Talsenke darunter. Sie mußten im Wald von Wychwood sein, aber wenn es sich so verhielt, gab es mehr als hundert Quadratkilometer, in denen der Absetzort verborgen sein konnte. Auf eigene Faust würde sie ihn niemals finden. Das Unterholz war so dicht, daß man kaum zehn Meter weit sehen konnte, obwohl alles kahl war und der Schnee nicht allzu dick auf den Zweigen lag.
    Kivrin war erstaunt über die Dichte des Waldes, als sie die andere Seite des Hügels hinabritten. Nirgendwo gab es einen Pfad, und wenn es Lichtungen zwischen den Bäumen gab, waren sie angefüllt mit gefallenen Ästen und undurchdringlichem Buschdickicht und Schnee.
    Daß sie nichts wiedererkannte, war nicht ganz richtig – sie kannte diesen Wald. Es war der Wald, wo Schneewittchen sich verlaufen hatte, und Hänsel und Gretel, und all die Prinzen. Es gab Wölfe darin, und Bären, und vielleicht sogar Hexenhäuschen, denn das Mittelalter war schließlich die Zeit, in der all diese Märchengeschichten ihren Ursprung hatten. Und kein Wunder: jeder konnte sich hier verlaufen.
    Roche hielt an und stand neben seinem Esel, während Rosemund im Trab zu ihm zurückkam und Kivrin und Agnes ihn einholten. Kivrin fragte sich schon, ob er sich verlaufen habe, aber sobald sie bei ihm waren, brach er seitwärts durch das Gesträuch und kam auf einen noch schmaleren Pfad,

Weitere Kostenlose Bücher