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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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angsterfüllt.
    Er war dort. Er hatte vorgehabt – was vorgehabt? Sie zu berauben? Zu vergewaltigen? Gawyns Erscheinen hatte ihn verjagt.
    Sie trat einen Schritt zurück. »Ich sagte, was willst du? Wer bist du?«
    Sie hörte ihre Stimme in dem kalten steinernen Raum widerhallen, und es kam ihr so vor, als sei der Dolmetscher ausgefallen. Sie zwang sich, langsamer zu sprechen und hörte ihre Stimme sagen: »Wasse weltu vone mier?«
    Er streckte die Hand nach ihr aus, eine riesige Hand, schmutzig und gerötet, eines Halbsabschneiders Hand, als wollte er ihr kurzgeschnittenes Haar berühren.
    »Geh weg!« sagte sie, wich wieder zurück und stieß gegen den Sarkophag. Die Kerze ging aus. »Ich weiß nicht, wer du bist oder was du willst.« Er wollte sie berauben, umbringen, und wo war der Pfarrer? »Pater Roche!« rief sie verzweifelt. »Pater Roche!«
    An der Tür entstand ein Geräusch, ein Schlagen, und dann das Kratzen von Holz auf Stein, und Agnes stieß die Tür auf. »Da bist du ja!« rief sie fröhlich. »Ich habe dich überall gesucht.«
    Der Halsabschneider blickte zur Tür.
    »Agnes!« rief Kivrin. »Lauf!«
    Das kleine Mädchen erstarrte, die Hand noch an der schweren Plankentür.
    »Lauf weg von hier!« rief Kivrin.
    Der Halsabschneider trat wieder einen Schritt auf sie zu. Sie wich gegen den Sarkophag zurück.
    »Renne! Fliehe, Agnes!« rief sie, und dann schlug die Tür zu, und Kivrin rannte durch den Mittelgang und hinter ihr zur Tür hinaus, ließ unterwegs irgendwo die Kerze fallen.
    Agnes war beinahe an der Friedhofspforte, blieb aber stehen, sobald Kivrin herauskam und zu ihr lief.
    »Nein!« rief Kivrin und winkte sie weiter. »Lauf!«
    »Ist es ein Wolf?« fragte Agnes mit großen Augen.
    Es war keine Zeit für Erklärungen. Die Männer, die Holz gehackt hatten, waren verschwunden. Sie nahm Agnes auf die Arme und lief mit ihr zu den Pferden. »Es war ein böser Mann in der Kirche!« schnaufte sie, als sie Agnes aufs Pferd setzte.
    »Ein böser Mann?« fragte Agnes. Sie achtete nicht auf die Zügel, die Kivrin ihr hinhielt. »War es einer von denen, die dich im Wald überfielen?«
    »Ja«, sagte Kivrin. Mit fliegenden Fingern band sie die Zügel ihres Pferdes los. »Du mußt zum Gutshof zurückreiten, so schnell du kannst. Halte nicht an.«
    »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte Agnes.
    Das war gut möglich. Als sie von draußen hereingekommen war, konnte sie im düsteren Innenraum zuerst nichts gesehen haben.
    »War es der Mann, der deine Sachen gestohlen und dir den Kopf aufgeschlagen hatte?«
    »Ja«, sagte Kivrin. Sie nahm die Zügel und bemühte sich, den Knoten aufzuziehen.
    »War der böse Mann im Grab versteckt?«
    »Was?« sagte Kivrin. Sie konnte das steife Leder nicht aufknoten. Ängstlich blickte sie zurück zur Kirchentür.
    »Ich sah dich und Pater Roche beim Grab. War der böse Mann in Großvaters Grab versteckt?«

 
16
     
     
    Pater Roche!
    Der steife Knoten ging plötzlich auf. »Pater Roche?«
    »Ich ging in den Glockenturm, aber er war nicht dort. Er war in der Kirche«, sagte Agnes. »Warum war der böse Mann in Großvaters Grab versteckt, Kivrin?«
    Pater Roche. Aber das konnte nicht sein. Pater Roche hatte ihr die letzte Ölung gegeben. Er hatte ihr die Schläfen und die Hände gesalbt.
    »Wird der böse Mann Pater Roche überfallen?« fragte Agnes.
    Er konnte nicht Pater Roche sein. Pater Roche hatte ihre Hand gehalten. Er hatte ihr gesagt, sich nicht zu fürchten. Sie suchte sich das Gesicht des Pfarrers ins Gedächtnis zurückzurufen. Er hatte sich über sie gebeugt und sie nach ihrem Namen gefragt, aber sie hatte sein Gesicht wegen des Rauches und der schlechten Beleuchtung nicht sehen können.
    Und während er ihr das Sterbesakrament gegeben hatte, hatte sie den Halsabschneider gesehen, sie hatte sich gefürchtet, weil sie ihn ins Zimmer gelassen hatten, hatte versucht, sich ihm zu entziehen. Aber es war überhaupt kein Halsabschneider gewesen, sondern Pater Roche.
    »Kommt der böse Mann?« fragte Agnes mit einem furchtsamen Blick zur Kirchentür.
    Es ergab alles einen Sinn. Der Halbsabschneider über sie gebeugt auf der Lichtung. Der Halsabschneider, der sie aufs Pferd gehoben hatte. Für sie war es eine Vision aus ihrem Fiebertraum gewesen, aber ihr Gedächtnis hatte nicht getrogen. Es war Pater Roche gewesen, gekommen, um Gawyn zu helfen.
    »Der böse Mann kommt nicht«, sagte Kivrin. »Es gibt dort keinen bösen Mann.«
    »Versteckt er sich noch in der

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