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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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war weniger als ein Armvoll Brennholz gestapelt.
    Agnes begann an die Tür zu schlagen, die so schwach wie jene der anderen Hütten aussah, und Kivrin befürchtete, sie würde sie aufstoßen und einfach hineingehen, doch ehe es dazu kam, wandte Agnes sich um und sagte: »Vielleicht ist er im Glockenturm.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Kivrin und nahm Agnes bei der Hand, damit sie nicht wieder durch den Friedhof davonrannte. Sie gingen zurück zur Pforte. »Pater Roche läutet erst wieder zur Vesper.«
    »Er könnte aber«, sagte Agnes und neigte lauschend den Kopf auf die Seite.
    Auch Kivrin lauschte unwillkürlich, aber es war nichts zu hören, und auf einmal merkte sie, daß die Glocke im Südwesten nicht mehr läutete. Sie hatte beinahe unaufhörlich geläutet, während Kivrin Lungenentzündung gehabt hatte, und als sie das zweite Mal zum Stall hinausgegangen war und nach Gawyn Ausschau gehalten hatte, war das Geläute an ihr Ohr gedrungen, aber sie erinnerte sich nicht, ob es seither verstummt war oder nicht.
    »Hast du das gehört, Kivrin?« sagte Agnes. Sie entzog ihre kleine Hand Kivrins Finger und lief davon, nicht zum Glockenturm, sondern um die Kirche zur Nordseite. »Siehst du?« krähte sie und zeigte auf etwas, das sie gefunden hatte. »Er ist nicht fort.«
    Es war der graue Esel des Dorfpfarrers, der genügsam an den dürren Stauden rupfte, die aus dem Schnee schauten.
    Er trug ein Zaumzeug aus zusammengeknoteten Seilen und mehrere Säcke, die über seinen Rücken gelegt waren, offensichtlich leer und offensichtlich für den Efeu und die Stechpalmenzweige gedacht.
    »Ich weiß, er ist im Glockenturm«, sagte Agnes und rannte den Weg zurück, den sie gekommen waren.
    Kivrin folgte ihr um die Kirche und in den Friedhof und sah Agnes im Turm verschwinden. Sie wartete und überlegte, wo sie sonst suchen könnten. Vielleicht kümmerte sich der Pfarrer in einer der Hütten des Dorfes um Kranke.
    Eine winzige Bewegung hinter einem Kirchenfenster fand ihre Aufmerksamkeit. Ein Licht. Vielleicht war er zurückgekommen, während sie nach dem Esel gesehen hatten. Sie stieß die Tür auf und spähte hinein. Vor der Statue der heiligen Katharina war ein Licht angezündet worden.
    »Pater Roche?« rief sie leise. Keine Antwort. Sie betrat die Kirche, ließ die Tür hinter sich zufallen und ging hinüber zu der Statue.
    Die Kerze stand zwischen den plump behauenen Füßen der Statue. Gesicht und Haar der heiligen Katharina, beide in primitiv stilisierter Steinmetzarbeit, waren im Schatten und ragten schützend über die kleine Gestalt, die ein Mädchen darstellen sollte. Sie kniete nieder und hob die Kerze auf. Sie war gerade entzündet worden. Die Flamme hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, den Talg um den Docht zu schmelzen.
    Kivrin blickte durch das Kirchenschiff. Wenn sie die Kerzen vor sich hielt, konnte sie nichts sehen. Der Lichtschein erhellte den Boden und St. Katharinas kastenartiges Kopftuch und ließ den Rest der Kirche um so dunkler erscheinen.
    Sie ging ein paar Schritte durch das Kirchenschiff, die Kerze in der Hand. »Pater Roche?«
    Es war völlig still in der Kirche, genauso still wie es an jenem Abend ihrer Ankunft im Wald gewesen war. Zu still, als ob jemand da wäre, neben dem Sarkophag oder hinter einer der Säulen stand und wartete.
    »Pater Roche?« rief sie mit klarer Stimme. »Seid Ihr da?«
    Keine Antwort, nur diese lautlose, wartende Stille. Es war niemand im Wald gewesen, sagte sie sich und ging ein paar Schritte ins tiefe Halbdunkel. Niemand war neben dem Sarkophag. Imeynes Gemahl lag mit auf der Brust gefalteten Händen, das Schwert an der Seite, friedlich und stumm. Auch bei der Tür war niemand. Sie konnte sie jetzt trotz des blendenden Scheins der Kerze sehen. Niemand stand dort.
    Dennoch pochte ihr das Blut dumpf in den Schläfen, wie es das im Wald getan hatte, so laut, daß es das Geräusch von Schritten, von Atemzügen übertönen konnte. Sie fuhr herum, daß die Kerze eine feurige Spur durch die Luft zog.
    Er war direkt hinter ihr. Die Kerze ging beinahe aus.
    Die Flamme flackerte, dann beruhigte sie sich und beleuchtete sein Halsabschneidergericht von unten, wie es die Laterne getan hatte.
    »Was willst du?« sagte Kivrin, so atemlos, daß beinahe kein Ton herauskam. »Wie bist du hier hereingekommen?«
    Der Halsabschneider antwortete ihr nicht. Er starrte sie einfach an, genauso wie er es auf der Lichtung getan hatte. Ich hatte ihn nicht geträumt, dachte sie

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