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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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die Seuche in England ausgebrochen, »kurz vor dem Fest Johannes des Täufers«, dem 24. Juni.
    Das würde eine Verschiebung von achtundzwanzig Jahren bedeuten. Badri hatte sich wegen einer zu großen Verschiebung Gedanken gemacht, aber er hatte von Tagen, höchstens von Wochen gesprochen, nicht von Jahren.
    Er ging wieder hinaus ins Wohnzimmer, beugte sich über das Sofa zum Bücherschrank und nahm Fitzwillers Pandemien heraus.
    »Was tun Sie da?« fragte Colin schläfrig.
    »Ich lese über den Schwarzen Tod nach«, flüsterte er. »Schlaf nur weiter.«
    »So nannten sie es nicht«, murmelte Colin. Er wälzte sich herum, zog die Decke über sich. »Sie nannten es das Blaue Fieber.«
    Dunworthy nahm beide Bücher mit und legte sich wieder ins Bett. Fitzwiller gab als Datum des Ausbruches der Seuche in England Peter und Paul an, den 29. Juli 1348. Im Dezember hatte die Pest Oxford erreicht, London erst im Oktober 1349, und hatte sich dann nordwärts ausgebreitet und war zurück über den Kanal in die Niederlande und nach Norwegen gewandert. Sie hatte alle Teile Europas mit Ausnahme Böhmens und Polens erfaßt, die eine Quarantäne eingeführt hatten und verschonte seltsamerweise auch Teile Schottlands.
    Wohin sie gekommen war, hatte sie das Land wie ein Todesengel durchzogen, ganze Dörfer und Landstriche entvölkert, niemanden verschont, keinen übrig gelassen, der die Sterbesakramente hätte spenden oder die Toten begraben können.
    In einem Kloster waren alle Mönche bis auf einen gestorben. Der einzige Überlebende, John Clyn, hatte eine Aufzeichnung der Ereignisse hinterlassen. »Und damit Dinge, die erinnert sein sollten, nicht mit der Zeit untergehen und aus dem Gedächtnis jener verschwinden, die nach uns kommen werden«, hatte er geschrieben, »habe ich, der so viele Übel und die ganze Welt im Zugriff des Bösen gesehen und selbst wie unter den Toten gelegen und auf den Tod gewartet, alle Dinge niedergeschrieben, deren Zeuge ich wurde.«
    Er hatte alles niedergeschrieben, ein wahrer Historiker, und war dann anscheinend selbst gestorben, ganz allein. Sein Manuskript blieb unvollendet, und darunter hatte eine andere Hand geschrieben: »Hier, so scheint es, starb der Verfasser.«
    Jemand klopfte an die Tür. Es war Finch in seinem Bademantel, verschlafen und zerzaust. »Wieder eine von den Zwangseingewiesenen, Sir.«
    Dunworthy legte den Finger an die Lippen und trat mit ihm vor die Tür hinaus. »Haben Sie die Klinik angerufen?«
    »Ja, Sir, aber sie sagten, es würde einige Stunden dauern, bevor sie einen Krankenwagen schicken können. Wir sollen die Kranke isolieren und ihr Dimantadin und Orangensaft geben.«
    »Der vermutlich ausgegangen ist«, sagte Dunworthy irritiert.
    »Ja, Sir, aber das ist nicht das Problem. Sie ist nicht ansprechbar.«
    Dunworthy ließ ihn vor der Tür warten, während er sich ankleidete und seine Schutzmaske anlegte, dann gingen sie über den Hof. Eine Gruppe von Einquartierten stand bei der Tür, Mäntel und Decken über einem merkwürdigen Sortiment der verschiedensten Arten von Unterwäsche. Nur wenige von ihnen trugen ihre Schutzmasken. Bis übermorgen werden sie alle angesteckt sein, dachte Dunworthy.
    »Gott sei Dank, daß Sie hier sind«, sagte einer der Einquartierten. »Wir können nichts mit ihr anfangen.«
    Finch führte ihn in das Zimmer, wo die Erkrankte aufrecht im Bett saß. Es war eine alte Frau mit spärlichem weißen Haar, und Dunworthy fiel der gleiche fiebernde Blick auf, den er an jenem ersten Abend bei Badri gesehen hatte, die gleiche rastlose Unruhe.
    »Gehen Sie weg!« schrillte sie, als sie Finch sah, und machte abwehrende Bewegungen. Dann fand der Blick ihrer brennenden Augen Dunworthy, und sie rief »Papa!« und schob schmollend die Unterlippe vor. »Ich weiß, daß ich ungezogen war«, sagte sie in kindischem Ton. »Ich hab den ganzen Geburtstagskuchen gegessen, und nun hab ich Bauchweh.«
    »Sehen Sie, was ich meine, Sir?« sagte Finch.
    »Kommen die Indianer, Papa«, fragte die alte Frau. »Ich fürchte mich. Sie haben Bogen und Pfeile.«
    Es ging bereits gegen Morgen, als die Frau endlich zur Ruhe gebracht und in ein Zimmer für sich verlegt hatten, und als das geschehen war, kam der Krankenwagen. »Papa!« jammerte sie, als die Hecktüren geschlossen wurden. »Laß mich hier nicht allein!«
    »Ach du liebe Zeit«, sagte Finch, als der Krankenwagen davonfuhr. »Die Frühstückszeit ist schon vorbei. Ich hoffe, sie haben nicht allen Schinken

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