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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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hinkte sie übertrieben, als sie vom Pferd gestiegen war. Ich dachte, sie versuchte bloß, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, doch als ich nachschaute, war der Schorf ganz losgerissen. Die Haut ringsherum ist gerötet und angeschwollen.
    Ich wusch das Knie vorsichtig, umwickelte es mit dem saubersten Stoff den ich finden konnte (ich fürchte, es könnte eines von Imeynes Kopftüchern gewesen sein; es war in der Truhe am Fuß meines Bettes), und ließ sie still am Feuer sitzen und mit ihrem Ritter spielen, aber ich mache mir Sorgen. Wenn sich eine Infektion entwickelt, könnte es ernst werden. In dieser Zeit gibt es keine antibakteriellen Mittel.
    Auch Eliwys ist in Sorge. Offensichtlich erwartete sie Gawyn heute abend zurück, und ich sah, daß sie immer wieder zur Tür hinausschaute. Es ist mir nicht gelungen, herauszubringen, wie sie zu ihm steht. Manchmal, wie heute, denke ich, daß sie ihn liebt und sich fürchtet, was es für sie beide bedeutet. Ehebruch war in den Augen der Kirche eine Todsünde, und oft eine gefährliche. Bei anderen Gelegenheiten habe ich wieder den Eindruck, daß seine Liebe unerwidert bleibt, daß die Sorge um ihren Mann in ihrem Denken und Fühlen keinen Platz für anderes läßt.
    Die reine, unerreichbare Dame war das Ideal höfischer Romanzen, aber es ist klar, daß er nicht weiß, ob seine Liebe erwidert wird oder nicht. Daß er mich im Wald rettete, war wie seine Geschichte von den berittenen Räubern nur ein Versuch, sie zu beeindrucken – und es wäre natürlich viel eindrucksvoller gewesen, wenn die zwanzig Räuber tatsächlich existiert hätten, bewaffnet mit Schwertern und Streitäxten und Keulen. Er würde zweifellos alles tun, um sie zu gewinnen, und Frau Imeyne weiß es. Ich glaube, daß er darum nach Courcy geschickt worden ist.

 
18
     
     
    Als sie zum Balliol College zurückkehrten, waren weitere zwei der eingewiesenen Personen erkrankt. Dunworthy schickte Colin zu Bett und half Finch, die Erkrankten in den vom Gesundheitsamt beschlagnahmten Räumen zusammenzulegen, und rief im Krankenhaus an.
    »Alle Krankenwagen sind unterwegs«, sagte der Arzt in der Notaufnahme. »Es muß erst geklärt werden, ob wir die Leute hier unterbringen können oder ob sie bei Ihnen bleiben müssen.«
    Die Klärung erfolgte nach Mitternacht, als die Erkrankten abgeholt wurden. Dunworthy kam erst gegen eins ins Bett. Colin schlief auf dem Sofa, neben sich Das Zeitalter des Rittertums. Dunworthy überlegte, ob er das Buch an sich nehmen solle, wollte aber nicht riskieren, ihn zu wecken. Er legte sich schlafen.
    Kivrin konnte unmöglich in die Pestzeit geraten sein. Badri hatte eine Verschiebung von vier Stunden genannt, und die Pest hatte England erst um 1348 heimgesucht. Kivrin befand sich im Jahr 1320.
    Er drehte sich auf die andere Seite und schloß die Augen. Sie konnte nicht in der Seuchenzeit sein, außerdem war sie geimpft. Badri war nicht bei klarer Besinnung. Er hatte alles mögliche geredet, nicht nur über Ratten, und nichts davon ergab einen Sinn. Es war das Fieber, das aus ihm sprach. Er hatte ihm imaginäre Notizen gegeben. Nichts davon hatte etwas zu bedeuten. Und es sah ihm, Dunworthy, ähnlich, daß er die Erwähnung der Ratten zum Anlaß nahm, sich wider alle Vernunft neue Sorgen zu machen.
    »Es waren die Ratten«, hatte Badri gesagt. Die Zeitgenossen hatten natürlich nicht gewußt, daß die Pest von Rattenflöhen verbreitet wurde. Sie hatten keine Ahnung von der Ursache gehabt. Aber sie hatten instinktiv alle verdächtigt, die von auswärts zu ihnen kamen, und versucht, sich durch Quarantänemaßnahmen gegen Fremde zu schützen. Dieser gesunde Instinkt hatte sie freilich nicht daran gehindert, auch andere zu beschuldigen – Juden und Hexen und Geisteskranke. Sie hatten Schwachsinnige getötet und alte Frauen gehängt. Sie hatten Fremde auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
    Er stand auf und tappte ins Wohnzimmer. Auf Zehenspitzen schlich er ums Sofa und zog Das Zeitalter des Rittertums unter Colins Kopfkissen hervor. Colin bewegte sich unruhig, erwachte aber nicht.
    Dunworthy schlug nach, was über den Schwarzen Tod geschrieben war. Er hatte um 1333 von China seinen Ausgang genommen und war von Handelsschiffen westwärts nach Messina auf Sizilien und von dort nach Pisa gelangt. Er hatte sich durch Italien und Frankreich ausgebreitet – achtzigtausend Tote in Siena, hunderttausend in Florenz, dreihunderttausend in Rom –, aber bevor er den Kanal übersprungen hatte. 1348 war

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