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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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kindische Spiele zu spielen.« Sie streckte die Hand in Richtung des Herdfeuers aus, wo Bloet saß, nach all den Ausflügen ins Brauhaus offensichtlich angetrunken und am Einnicken. Rosemund blickte Kivrin flehend in die Augen.
    »Geh und danke Sir Bloet für sein großzügiges Geschenk«, sagte Imeyne kalt.
    Rosemund gab Kivrin ihren Umhang und ging zum Herdfeuer.
    »Komm, Agnes«, sagte Kivrin. »Du mußt ruhen.«
    »Ich möchte des Teufels Grabgeläut hören«, sagte Agnes.
    »Lady Katherine«, sagte Yvolde mit ironischer Betonung, »Ihr sagtet uns, daß Ihr Euch an nichts erinnert. Aber Ihr habt Rosemunds Brosche mit Leichtigkeit gelesen. Könnt Ihr also lesen?«
    Ich kann lesen, dachte Kivrin, aber weniger als ein Viertel der Zeitgenossen konnten es, und von den Frauen noch weniger.
    Sie blickte zu Imeyne, die sie ansah, wie sie es am Morgen nach Kivrins Ankunft beim Befingern ihrer Kleider und der Untersuchung ihrer Hände getan hatte.
    Kivrin blickte Yvolde ins Auge. »Nein, ich fürchte, ich kann nicht einmal das Vaterunser lesen. Euer Bruder sagte uns, was die Worte bedeuteten, als er Rosemund die Brosche gab.«
    »Nein, das ist nicht wahr«, sagte Agnes.
    »Du hast nur an dein Mitbringsel gedacht und nicht aufgepaßt«, sagte Kivrin in Verzweiflung. Das würde Frau Yvolde niemals glauben. Sie würde ihren Bruder fragen, und der würde ihr versichern, daß er nie zu ihr gesprochen habe.
    Aber Yvolde schien zufriedengestellt. »Ich dachte mir, daß so eine wie sie nicht würde lesen können«, sagte sie zu Imeyne. Sie gab ihr die Hand, und die beiden gingen hinüber zu Sir Bloet.
    Kivrin sank auf die Bank zurück.
    »Ich möchte meine Glocke haben«, sagte Agnes.
    »Ich werde sie dir nicht umbinden, wenn du dich nicht niederlegst.«
    Agnes kroch ihr in den Schoß. »Zuerst mußt du mir die Geschichte erzählen. Es war einmal ein Mädchen.«
    »Es war einmal ein Mädchen«, sagte Kivrin. Verstohlen blickte sie zu Imeyne und Yvolde hinüber. Sie hatten sich zu Sir Bloet gesetzt und sprachen mit Rosemund. Sie sagte etwas, hatte das Kinn wieder trotzig erhoben und feuerrote Wangen. Sir Bloet lachte, und seine Hand schloß sich über der Brosche und glitt dann abwärts über Rosemunds Brust.
    »Es war einmal ein Mädchen …«, wiederholte Agnes.
    »… das lebte am Rande eines großen Waldes«, sagte Kivrin. »Geh nicht allein in den Wald, sagte der Vater…«
    »Aber sie hörte nicht auf ihn«, sagte Agnes und gähnte.
    »Nein, sie hörte nicht auf ihn. Ihr Vater liebte sie und sorgte sich nur um ihre Sicherheit, aber sie wollte nicht auf ihn hören.«
    Agnes kuschelte sich an Kivrin. »Was war in dem Wald?«
    Kivrin zog Rosemunds Umhang über sie. Halsabschneider und Diebe, dachte sie. Und lüsterne alte Männer und ihre zänkischen Schwestern. Und unerlaubte Liebhaber. Und Ehemänner. Und Richter. »Alle möglichen Gefahren.«
    »Wölfe«, sagte Agnes schläfrig.
    »Ja, Wölfe.« Sie blickte zu Imeyne und Yvolde. Die beiden steckten die Köpfe zusammen, beobachteten sie und flüsterten.
    »Was geschah mit ihr?« fragte Agnes. Die Augen fielen ihr bereits zu.
    Kivrin nahm sie in die Arme. »Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Ich weiß es nicht.«

 
20
     
     
    Agnes konnte nicht länger als fünf Minuten geschlafen haben, als die Glocke verstummte, um dann von neuem einzusetzen, heftiger als zuvor, und sie zur Messe rief.
    »Pater Roche beginnt zu früh. Es ist noch nicht Mitternacht«, sagte Frau Imeyne, aber sie hatte noch nicht ausgeredet, als die anderen Glocken zu läuten begannen: Wychlade und Bureford und, weit entfernt im Osten, zu fern, um mehr als der Hauch eines Echos zu sein, die Glocke von Oxford.
    Da sind die Glocken von Osney, dachte Kivrin, und da ist Carfax, und wieder überkam sie ein seltsam unwirkliches Gefühl von Nähe und Heimweh.
    Sir Bloet wuchtete seinen massigen Leib in die Höhe, dann half er seiner Schwester auf. Einer ihrer Diener eilte mit ihren Umhängen und einem mit Eichhörnchenfell gefütterten Mantel herbei. Die schwatzenden Mädchen zogen ihre Umhänge unter den anderen hervor und schwatzten weiter, während sie sie anlegten und die Schließen zumachten. Frau Imeyne schüttelte Maisry, die auf der Bettlerbank eingeschlafen war, und befahl ihr, das Stundenbuch zu bringen, und Maisry schlurfte gähnend zur Leiter, die auf den Dachboden führte. Rosemund kam herüber und griff mit übertriebener Vorsicht nach ihrem Umhang, der Agnes von den Schultern geglitten war.
    Agnes

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