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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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war fest eingeschlafen. Kivrin wollte sie nicht wecken, aber es war so gut wie sicher, daß nicht einmal erschöpfte Fünfjährige von der Teilnahme an dieser Messe ausgenommen waren. »Agnes«, sagte sie leise.
    »Du wirst sie zur Kirche tragen müssen«, sagte Rosemund. Sie bemühte sich, Sir Bloets goldene Brosche wieder an ihren Umhang zu stecken. Der jüngste Sohn des Verwalters kam mit Agnes’ weißem Umhang und blieb vor Kivrin stehen.
    »Agnes«, sagte Kivrin noch einmal und stieß sie ein wenig an. Es war erstaunlich, daß die Kirchenglocke sie nicht geweckt hatte. Sie ertönte lauter und näher, als Kivrin sie bis dahin gehört hatte, und übertönte mit ihren dröhnenden Schlägen die anderen, entfernteren Glocken.
    Agnes’ Augen flogen auf. »Du hast mich nicht geweckt«, sagte sie schläfrig zu Rosemund, und dann, als sie wach wurde, noch lauter: »Du hattest versprochen, mich zu wecken.«
    »Zieh deinen Umhang an«, sagte Kivrin. »Wir müssen zur Kirche gehen.«
    »Kivrin, ich möchte meine Glocke tragen.«
    »Du trägst sie ja«, sagte Kivrin. Sie bemühte sich, Agnes’ Umhang zu befestigen, ohne sie mit der Schließe in den Hals zu zwicken.
    Agnes untersuchte ihren Arm. »Nein, ich habe sie nicht! Ich will meine Glocke tragen!«
    »Da ist sie«, sagte Rosemund und hob sie vom Boden auf. »Sie muß dir vom Handgelenk gefallen sein. Aber es ist nicht schicklich, sie jetzt zu tragen. Wir werden zur Messe gerufen. Die Weihnachtsglocken kommen danach.«
    »Ich werde nicht läuten«, sagte Agnes. »Ich möchte sie nur tragen.«
    Kivrin glaubte nicht daran, aber sie mußte vermeiden, daß Agnes einen Auftritt machte und losheulte, denn alle anderen waren fertig. Einer von Sir Bloets Dienern entzündete die Hornlaternen mit einem Scheit vom Feuer und gab sie den anderen Bediensteten. Hastig band Kivrin die Glocke um Agnes’ Handgelenk, dann nahm sie die beiden Mädchen bei der Hand.
    Eliwys legte ihre Hand in Sir Bloets Armbeuge, Frau Imeyne bedeutete Kivrin, ihnen mit den Mädchen zu folgen, und die anderen schlossen sich feierlich an, als wäre es eine Prozession. Frau Imeyne ging mit Sir Bloets Schwester, und ihnen schloß sich Sir Bloets übriges Gefolge an. Eliwys und Sir Bloet führten den Zug hinaus auf den Hof, durch das Tor und auf dem Fahrweg zum Dorfanger.
    Der Schneefall hatte aufgehört, und die Sterne waren herausgekommen. Das Dorf lag still unter seiner weißen Decke. Gefroren in der Zeit, dachte Kivrin. Die elenden Hütten, die schiefen und umgesunkenen Zäune und zerzausten Hecken sahen verändert aus, geglättet und verschönert vom Schnee. Die Laternen ließen die kristallinen Facetten der Schneeflocken aufblitzen, aber es war der Sternhimmel, der Kivrin den Atem verschlug: Tausende von Sternen, und alle funkelten in der eisigen Schwärze des Himmels wie Juwelen. »Es glitzert«, sagte Agnes, aber es war nicht klar, ob sie den Schnee oder den Sternenhimmel meinte.
    Die Glocke läutete ruhig und gleichmäßig, ihr Klang hier draußen in der frostigen Luft war wieder anders, nicht lauter, aber voller und irgendwie klarer. Kivrin lauschte in die Winternacht und konnte jetzt auch all die anderen Glocken hören und wiedererkennen, Esthcote und Witenie und Wychlade, obwohl auch sie anders klangen. Sie lauschte in die Richtung von Swindon, dessen Glocke die ganze Zeit geläutet hatte, konnte sie aber nicht hören. Auch die Glocken von Oxford waren nicht zu hören. Entweder hatte der Wind gedreht, oder sie hatte sich nur eingebildet, sie wiederzuerkennen.
    »Du läutest deine Glocke, Agnes«, sagte Rosemund.
    »Tue ich nicht«, widersprach Agnes. »Ich gehe nur.«
    »Seht euch die Kirche an«, sagte Kivrin. »Ist sie nicht schön?«
    Sie erstrahlte wie ein Leuchtfeuer am anderen Ende des Dorfangers, beleuchtet von innen und außen. Die farbigen Glasfenster warfen rubinrote und saphirblaue Lichter auf den Schnee, und auch um die Kirche brannten Lichter und erhellten den Friedhof bis zum Glockenturm. Pechfackeln. Sie nahm ihren teerigen Rauch wahr. Weitere Fackeln, schwankend bewegt, kamen über die stillen weißen Felder jenseits des Dorfes und vom Hügel hinter der Kirche. Wieder mußte Kivrin an Oxford am Heiligabend denken, an die für späte Käufer geöffneten Geschäfte und das gelbe Licht in den Fenstern des Brasenose College, wenn man über den Hof ging. Und an den Weihnachtsbaum im Balliol College mit seinen vielfarbigen Laserlichtern.
    »Ich wollte, daß wir zum Julfest zu euch

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