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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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auf der Männerseite einzunehmen.
    Kivrin kniete mit den Mädchen nieder. Diesmal bekreuzigte sich Agnes ohne allzuviel Lärm, doch als sie aufstand, trat sie auf ihren Rocksaum und fing sich mit einem Geklirr, das beinahe so laut war wie die Glocke, die draußen noch immer läutete. Kivrin empfing einen unmutsvollen Blick von Frau Imeyne.
    Nun ging Kivrin mit den Mädchen auf die Frauenseite und nahm neben Eliwys Aufstellung. Imeyne kniete nieder, aber Frau Yvolde begnügte sich mit einer Verbeugung, bis ein Diener herbeieilte und ihr ein mit dunklem Samt bezogenes Kissen zum Niederknien vor die Füße legte. Ein zweiter Diener hatte Sir Bloet auf der Männerseite mit einem Polster versehen und half ihm, darauf niederzuknien. Sir Bloet schnaufte und klammerte sich an den Arm des Dieners, als er seine Leibesfülle darauf niederließ, und sein Gesicht lief rot an.
    Nicht ohne Neid betrachtete Kivrin Frau Yvoldes Kniepolster. Erst jetzt verstand sie, welch ein Segen die harten hölzernen Gebetsstühle in St. Marys mit ihren kunststoffbezogenen Kniebänken waren. Die Steinplatten am Boden waren kalt wie Eisschollen. Kalt war es auch in der Kirche, trotz der zahlreichen Lichter; so kalt, daß ihnen der Atem in dichten Wolken vor den Gesichtern hing. Pater Roche hatte an den Wänden und vor der mit Stechpalmenzweigen geschmückten Statue der heiligen Katharina Öllampen aufgestellt, und in jedem der Fenster stand eine dünne, gelbliche Talgkerze, doch war die Wirkung wahrscheinlich nicht so, wie Pater Roche sie beabsichtigt hatte. Die Kerzenflammen ließen die farbigen Glasscheiben nur dunkler erscheinen, beinahe schwarz.
    Weitere Talgkerzen standen in den silbernen Leuchtern auf dem mit Efeu und Stechpalmenzweigen bekränzten Altar. Der obere Abschluß des Lettners war in gleicher Weise geschmückt, und dort hatte Pater Roche Frau Imeynes Bienenwachskerzen zwischen die scharfen, glänzenden Stechpalmenblätter gesetzt. Die Art, wie er die Kirche ausgeschmückt hatte, sollte sogar Frau Imeyne erfreuen, dachte Kivrin. Sie warf ihr einen Seitenblick zu.
    Imeyne hielt ihr Reliquiar zwischen den gefalteten Händen, aber statt in Andacht versunken zu sein, starrte sie mit mißbilligend zusammengepreßten Lippen zum oberen Abschluß des Lettners hinauf. Vermutlich hatte sie die Kerzen dort nicht haben wollen, aber es war der ideale Platz für sie. Sie erhellten das Kruzifix und die Darstellung des Jüngsten Gerichts und spendeten sowohl dem Chor als auch dem Kirchenschiff zusätzlich Licht. Sie ließen die ganze Kirche anheimelnder, vertrauter erscheinen, wie St. Mary am Heiligabend. Im vergangenen Jahr war sie mit Dunworthy zum ökumenischen Gottesdienst gegangen, nachdem sie eigentlich beabsichtigt hatte, die Christmette der Traditionalisten zu besuchen, um die Messe in lateinischer Sprache zu hören, aber der Priester war gebeten, im ökumenischen Gottesdienst die Predigt zu halten und hatte die Christmette auf vier Uhr nachmittags vorverlegt.
    Agnes machte sich wieder an ihrer Glocke zu schaffen. Frau Imeyne wandte den Kopf und blickte tadelnd an den gefalteten Händen vorbei, und Rosemund beugte sich an Kivrin vorbei und machte »Schhh«.
    »Du darfst nicht mit deiner Glocke läuten, bis die Messe vorbei ist«, flüsterte Kivrin, zu Agnes’ Ohr gebeugt.
    »Ich habe nicht geläutet«, flüsterte Agnes so laut zurück, daß man es in der ganzen Kirche hören konnte. »Das Band ist zu eng. Siehst du?«
    Kivrin konnte nichts dergleichen sehen. Wäre das Band zu eng, hätte die Glocke bei jeder Bewegung läuten müssen, aber sie konnte und wollte nicht mit einem übermüdeten Kind diskutieren, wenn jeden Augenblick die Messe beginnen konnte. Sie nahm sich den Knoten vor.
    Agnes mußte versucht haben, die Glocke über die Hand zu ziehen. Das schon ausgefranste Band hatte sich zu einem festen kleinen Knoten zusammengezogen. Kivrin zupfte mit den abgebrochenen Fingernägeln daran und behielt zugleich das Kirchenschiff im Auge. Der Gottesdienst begann mit dem Einzug des Priesters. Pater Roche und seine Meßdiener, wenn er welche hatte, würden mit dem Weihwasser durch den Mittelgang kommen, die Gläubigen besprengen und das Asperges me singen.
    Der Knoten war nicht ohne weiteres zu lösen. Kivrin nahm das Band zu beiden Seiten des Knotens und zog es mit aller Kraft auseinander, um es zu dehnen. Dabei wurde der Knoten noch fester gezogen, so daß keine Hoffnung bestand, ihn je wieder zu lösen, ohne ihn zu durchschneiden. Das Band

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