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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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»wahre Latein« gelehrt hatten. Und es mußte das wahre Latein gewesen sein, dachte sie. »Ich werde dich nicht verlassen«, hatte Pater Roche an ihrem Krankenbett gesagt. »Fürchte dich nicht.« Und sie hatte ihn verstanden.
    Die Messe nahm ihren Fortgang, und der Gesandte des Bischofs, assistiert vom Zisterziensermönch als Meßdiener, schien das Tempo der heiligen Handlung noch zu beschleunigen, als ob ihm dringend daran gelegen wäre, die Sache hinter sich zu bringen. Frau Imeyne schien es nicht zu bemerken. In dem Wissen, Gutes zu tun, stellte sie eine Miene selbstgerechter Heiterkeit zur Schau und nickte zustimmend zu der Predigt, die sich mit Entsagung und der Aufgabe weltlicher Dinge befaßte.
    Als die Gemeinde nach dem Gottesdienst die Kirche verließ, machte sie jedoch vor dem Kirchenportal halt und blickte zum Glockenturm, die Lippen mißbilligend geschürzt. Was nun? dachte Kivrin. Liegt Staub auf der Glocke?
    »Hast du gesehen, wie die Kirche aussah, Yvolde?« sagte Imeyne zu Sir Bloets Schwester. »Er hatte keine Kerzen in die Chorfenster gestellt, nur bäurische Talglichter.« Sie hielt inne, als die Glocke zu läuten begann. »Ich muß noch bleiben und ihn zur Rede stellen. Er hat unser Haus vor dem Bischof entehrt.«
    Sie marschierte zum Glockenturm hinüber, das Gesicht erstarrt zu einer Grimasse rechtschaffenen Zorns. Und wenn er Kerzen in die Fenster gestellt hätte, dachte Kivrin, wäre es auch falsch gewesen. Oder er hätte sie nicht richtig gelöscht. Sie hätte Pater Roche gern gewarnt, aber Imeyne hatte die Strecke zum Glockenturm schon halb hinter sich, und Agnes zog beharrlich an Kivrins Hand.
    »Ich bin müde«, jammerte sie. »Ich möchte schlafen.«
    Kivrin schlängelte sich mit ihr zwischen den Dorfbewohnern durch, frische Scheite waren zuhauf in die zusammengekehrte und mit Asche zugedeckte Glut des Feuers geworfen worden, und die jungen Frauen und Mädchen des Dorfes hatten einander bei den Händen gefaßt und umtanzten das aufprasselnde Feuer im Reigen. Kivrin hätte den weiteren Verlauf gern beobachtet, aber Agnes hörte nicht auf zu quengeln und an ihrer Hand zu zerren, und so brachte sie sie zurück zur Scheune. Agnes legte sich bereitwillig auf ihr Strohlager und ließ sich zudecken, war aber wieder auf den Beinen und die Leiter herunter, bevor Kivrin den Hof überqueren und ins Haus gehen konnte.
    »Agnes!« sagte Kivrin streng, die Hände in die Seiten gestemmt. »Warum bist du auf? Du sagtest, du willst schlafen.«
    »Blackie ist krank.«
    »Krank?« fragte Kivrin. »Was fehlt ihm?«
    »Er ist krank«, wiederholte Agnes. Sie nahm Kivrins Hand und führte sie zurück zur Scheune, und sie stiegen zur Tenne hinauf. Blackie lag im Stroh, ein lebloses Bündel. »Machst du ihm einen Umschlag?«
    Kivrin hob den Welpen auf und legte ihn vorsichtig zurück. Er war schon steif. »Ach, Agnes! Er ist tot.«
    Agnes kauerte nieder und betrachtete ihn interessiert. »Großmutters Kaplan war auch tot«, sagte sie. »Hatte Blackie ein Fieber?«
    Blackie hatte zuviel verständnislose Behandlung, dachte Kivrin. Er war von Hand zu Hand gegangen, war gedrückt, halb erwürgt, vor lauter Liebe umgebracht worden. Und ausgerechnet in der Heiligen Nacht, obwohl Agnes nicht sonderlich bekümmert schien.
    »Gibt es ein Begräbnis?« fragte sie und berührte Blackies Ohr mit einem Finger.
    Nein, dachte Kivrin. Im Mittelalter gab es keine Hundebegräbnisse in Schuhkartons. Die Zeitgenossen entledigten sich toter Tiere, indem sie sie ins Unterholz oder in einen Fluß warfen. »Wir werden ihn im Wald begraben«, sagte sie, obgleich sie keine Ahnung hatte, wie sie das im gefrorenen Boden bewerkstelligen sollte. »Unter einem Baum.«
    Zum ersten Mal sah Agnes unglücklich aus. »Pater Roche muß Blackie auf dem Friedhof begraben.«
    Pater Roche würde beinahe alles für Agnes tun, aber Kivrin konnte sich nicht vorstellen, daß er einwilligen würde, einem Tier ein christliches Begräbnis zu geben. Die Erkenntnis, daß höhere Tiere wie Warmblüter bewußten Denkens und Leidens fähig sind und die Achtung und Rücksicht des Menschen verdienen, war erst im 19. Jahrhundert allmählich aufgekommen, aber christliche Begräbnisse für Hunde, Katzen oder Pferde hatte es nie gegeben.
    »Ich werde das Totengebet sprechen«, sagte Kivrin.
    Agnes verzog weinerlich das Gesicht. »Pater Roche muß ihn auf dem Friedhof begraben! Und dann muß er die Glocke läuten.«
    »Wir können Blackie erst nach Weihnachten

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