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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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zuviel Alkohol, trotz der Weinflaschen. Er war nicht verkatert, sondern krank. Sehr krank.
    Er atmete schnell durch den offenen Mund, japste wie der arme Blackie, und streckte dabei die Zunge heraus. Sie sah hellrot und geschwollen aus. Sein Gesicht war von einem noch dunkleren Rot, sein Ausdruck verzerrt, als hätte er Schmerzen oder schreckliche Angst.
    War es möglich, daß man ihn vergiftet hatte? Der bischöfliche Gesandte war ziemlich überstürzt abgereist und hatte Eliwys zuvor gesagt, sie solle ihn nicht stören. Die mittelalterliche Kirche war über derlei Praktiken nicht erhaben gewesen. Mysteriöse Todesfälle in Klöstern und unter der römischen Kurie. Todesfälle, die gelegen kamen.
    Aber das ergab keinen rechten Sinn. Der Gesandte des Bischofs und sein Begleiter wären nicht so eilig abgereist und hätten nicht Anweisung gegeben, das Opfer ungestört zu lassen, wenn der ganze Sinn einer Vergiftung darin lag, ihr den Anschein von Bauchfellentzündung oder einer der vielen anderen unerklärlichen Krankheiten zu geben, an denen die Menschen des Mittelalters gestorben waren. Und warum sollte der bischöfliche Gesandte einen seiner eigenen Untergebenen vergiften, wenn er ihn degradieren und in ein Kloster stecken konnte, wie Frau Imeyne Pater Roche zu degradieren wünschte?
    »Ist es die Cholera?« sagte Eliwys.
    Kivrin versuchte sich auf die Symptome zu besinnen. Durchfall und Erbrechen mit starkem Verlust von Körperflüssigkeit. Eingefallene Züge, bläuliche Verfärbung der Haut infolge Sauerstoffmangels im Blut, quälender Durst.
    »Seid Ihr durstig?« fragte sie.
    Der Sekretär gab nicht zu erkennen, daß er gehört hatte. Seine Augen waren halb geschlossen, und auch die Lider schienen geschwollen.
    Kivrin legte ihm die Hand auf die Stirn. Er zuckte ein wenig, seine geröteten Augen öffneten und schlossen sich wieder.
    »Er hat hohes Fieber«, sagte Kivrin. Soviel sie wußte, war Cholera nicht mit so hohem Fieber verbunden. »Gebt mir ein in Wasser getauchtes Tuch.«
    »Maisry!« sagte Eliwys, aber Rosemund war schon mit dem schmutzigen Lappen neben ihr, den sie auch bei ihr verwendet haben mußten.
    Wenigstens war er kühl. Kivrin legte ihn zu einem Rechteck zusammen und beobachtete die Züge des Kranken. Er atmete weiter keuchend, und sein Gesicht verzog sich, als sie ihm den Lappen auf die Stirn legte, als litte er Schmerzen. Er hatte eine Hand auf dem Bauch, und sie sah, daß die Fingerspitzen fest in die Haut eingedrückt waren. Blinddarmentzündung? Sie war zwar von Fieber begleitet, aber nicht so hohem. Typhus und Fleckfieber konnten Temperaturen bis vierzig Grad erzeugen, aber gewöhnlich nicht schon beim Ausbruch. Andererseits führte Fleckfieber zur Vergrößerung der Milz, was häufig mit Leibschmerzen verbunden war.
    »Habt Ihr Schmerzen?« fragte sie. »Wo schmerzt es?«
    Seine Augen öffneten sich wieder zur Hälfte, seine Hände bewegten sich unruhig auf dem Nachthemd. Dieses unruhige Zupfen und Streichen war ein Symptom von Fleckfieber, wenn sie sich recht erinnerte, aber nur in den letzten Stadien, acht oder neun Tage nach Ausbruch der Krankheit. War es möglich, daß der Mann bei seiner Ankunft bereits krank gewesen war?
    Er war beim Absitzen gestolpert, und der Mönch hatte ihn stützen und ins Haus führen müssen. Kivrin hatte es als Trunkenheit gedeutet. Außerdem hatte er beim Festschmaus eine Menge gegessen und getrunken und Maisry ins Hemd gegriffen. Er konnte also nicht sehr krank gewesen sein. Typhus setzte allmählich ein, beginnend mit Kopfschmerzen und nur leicht erhöhter Temperatur. Neununddreißig Grad erreichte es erst in der dritten Woche.
    Kivrin beugte sich näher und zog sein offenes Nachthemd beiseite, um nach dem rosafarbenen Hautausschlag zu suchen, der eine Begleiterscheinung bei Typhus war. Der Mann war frei davon. Die Seite seines Halses schien leicht geschwollen, aber Lymphdrüsenschwellungen gingen mit fast allen Infektionen einher. Sie zog seinen Ärmel hoch. Auch die Arme waren frei von rosa Flecken, aber seine Fingernägel zeigten eine bläulichbraune Verfärbung, die auf Sauerstoffmangel hindeutete. Und Sauerstoffmangel im Blut war ein Cholerasymptom.
    »Hat er erbrochen oder Durchfall gehabt?«
    »Nein«, sagte Frau Imeyne. Sie schmierte eine grünliche Paste aus ihrem Mörser auf ein Stück steifes Leinen. »Er hat zuviel Zuckerwerk und Gewürz gegessen, das hat sein Blut fiebrig gemacht.«
    Ohne Erbrechen konnte es nicht Cholera sein, und in jedem

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