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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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unterbrach ihn oft schon nach dem Wählen der ersten Nummer, und mehrmals konnte er kein Amtszeichen bekommen. Er gab einstweilen auf und arbeitete die Listen der Kontaktpersonen durch. Mary hatte ihm entgegen ihrer ärztlichen Schweigepflicht die vertraulichen Krankenblätter der Primärkontakte überlassen, die er jetzt nach Röntgenbehandlungen durchforschte. Einer der Primärkontakte hatte eine Röntgenuntersuchung machen lassen, aber bei genauerem Hinsehen zeigte sich, daß sie schon am 23., also nach dem Ausbruch der Epidemie, stattgefunden hatte.
    Er trug die Blätter zurück ins Krankenhaus, um die dort liegenden Primärkontakte, soweit sie ansprechbar waren, nach Haustieren zu fragen, oder ob sie in letzter Zeit auf Entenjagd gewesen waren. Die Korridore standen voller Krankenbetten, und alle waren belegt. Rollwagen mit Bahren, auf denen frisch eingelieferte Patienten lagen, stauten sich in der Notaufnahme und vor dem Aufzug. Er nahm die Treppe.
    Am Eingang zur Isolierstation begegnete ihm Williams blonde Praktikantin. Sie trug einen weißen Stoffkittel und eine Schutzmaske. »Ich fürchte, Sie können nicht hereinkommen«, sagte sie und hielt eine behandschuhte Hand hoch.
    Badri ist tot, dachte er. »Geht es Mr. Chaudhuri schlechter?«
    »Nein. Tatsächlich scheint er ruhiger zu sein. Aber wir haben keine Schutzkleidung mehr. London versprach uns für morgen eine Sendung, und das Personal behilft sich mit Stoffkitteln, aber für Besucher haben wir nichts mehr.« Sie zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn ihm. »Ich habe seine Worte aufgeschrieben, obwohl das meiste unverständlich ist. Er sagt Ihren Namen und einen anderen – Kivrin. Ist das richtig?«
    Er nickte.
    »Manchmal auch einzelne Wörter, aber das meiste ist Unsinn.«
    Sie hatte versucht, seine Äußerungen phonetisch niederzuschreiben, und wenn sie ein Wort klar verstanden hatte, unterstrich sie es. »Kann nicht«, hatte er gesagt, und »Ratten«, und »die Sorge«.
    Bis zum Sonntagmorgen war die Hälfte der Einquartierten erkrankt, und alle, die es bisher verschont hatte, wurden zum Pflegedienst herangezogen. Dunworthy und Finch hatten alle Vorstellungen aufgegeben, sie in Krankenzimmern zusammenzufassen, nicht zuletzt, weil ihnen die Feldbetten ausgegangen waren. Sie ließen die Erkrankten in ihren provisorischen Schlafräumen oder schafften sie mit ihren Betten in freie Räume im Studentenwohnheim, um den Hilfspflegern allzu weite Wege zu ersparen.
    Die Schellenläuter fielen eine nach der anderen der Infektion zum Opfer, und Dunworthy half bei ihrer Unterbringung in der alten Bibliothek. Mrs. Taylor, bei der die Krankheit einen leichteren Verlauf nahm, bestand darauf, sie zu besuchen. »Es ist das mindeste, was ich tun kann, nachdem ich sie so im Stich gelassen habe«, sagte sie, obwohl der Gang über den Korridor sie schon erschöpft hatte.
    Dunworthy geleitete sie zurück zu ihrem Krankenbett und deckte sie zu. »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach«, sagte er.
    Er fühlte sich selbst schwach, übermüdet und erschöpft vom Mangel an Schlaf und den ständigen Niederlagen. Zwischen der Zubereitung von Tee und dem Spülen von Bettpfannen war es ihm endlich gelungen, bei einer Technikerin des Magdalen Colleges durchzukommen. »Sie ist im Krankenhaus«, sagte ihre Mutter in bekümmertem Ton.
    »Wann ist sie erkrankt?«
    »Am Weihnachtstag.«
    Neue Hoffnung regte sich. Vielleicht war die Technikerin vom Magdalen College die Infektionsquelle. »Können Sie mir sagen, welche Symptome Ihre Tochter hat?« fragte er eifrig. »Kopfschmerzen? Fieber? Desorientierung?«
    »Nein, nein, sie ist mit einer Blinddarmentzündung eingeliefert worden.«
    Bis zum Montagmorgen waren drei Viertel der Einquartierten erkrankt. Wie Finch prophezeit hatte, ging das Bettzeug aus, Schutzmasken waren beim Gesundheitsamt keine mehr zu bekommen, und die Bestände an Antibiotika und Aspirin waren fast aufgebraucht. Aus London angekündigte Lieferungen trafen nur schleppend ein. »Ich versuchte in der Klinik noch etwas zu bekommen«, sagte Finch, als er Dunworthy eine Liste der benötigten Artikel übergab, »aber die Telefonleitungen sind alle tot. Vielleicht können Sie bei Dr. Ahrens etwas erreichen.«
    Dunworthy ging mit der Liste zur Klinik, um die benötigten Dinge zu holen. Vor der Notaufnahme hatte sich ein Stau von Krankenwagen und Taxis und Demonstranten gebildet, die ein großes Transparent entfaltet hatten: »Die Regierung läßt uns

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