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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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hätte es schon vor zwei Tagen hier sein sollen.«
    Es folgte eine Pause, während die Person am anderen Ende anscheinend die Verzögerung erklärte.
    »Was heißt das: es wurde zurückgeschickt?« sagte sie in ungläubigem Ton. »Ich habe hier tausend Infektionsfälle.«
    Wieder entstand eine Pause. Mary tippte etwas in die Konsole, und eine andere Übersicht erschien.
    »Nun, dann schicken Sie es noch einmal«, rief sie aufgebracht. »Ich brauche es jetzt! Ich habe sterbende Patienten hier! Ich muß es bis – hallo? Sind Sie noch da?« Der Bildschirm erlosch. Sie wandte den Kopf und sah Dunworthy.
    Sie winkte ihn zu sich. »Sind Sie noch da?« sagte sie ins Telefon. »Hallo?« Sie knallte den Hörer aufs Gerät. »Die Telefone funktionieren nicht, die Hälfte unseres Personals ist erkrankt, und der Impfstoff ist nicht da, weil irgendein Idiot den Transport wegen fehlender Begleitpapiere nicht in die Quarantänezone durchgelassen hat.«
    Sie setzte sich vor die Konsole und rieb ihre Schläfen mit den Fingerspitzen. »Tut mir leid«, sagte sie. »Es war ein ziemlich schlechter Tag. Allein am Nachmittag drei Todesfälle. Einer war sechs Monate alt.«
    Sie trug noch den Stechpalmenzweig im Knopfloch ihres Laborkittels. Dieser sah mittlerweile arg mitgenommen aus, und Mary selbst war offensichtlich völlig übermüdet: die Falten um ihren Mund und die Augen schnitten tief in die bleiche, schlaffe Gesichtshaut. Er fragte sich, wann sie zuletzt geschlafen haben mochte, und ob sie es überhaupt wußte.
    Sie seufzte. »Man kann sich nicht an die Vorstellung gewöhnen, daß man machtlos ist.«
    »Nein.«
    Sie blickte zu ihm auf, als hätte sie inzwischen vergessen, daß er da war. »Brauchten Sie nicht etwas, James?«
    Sie kam nicht zum Schlafen, hatte zu wenig Hilfe und drei Todesfälle an einem Nachmittag, darunter einen Säugling. Sie hatte genug, was ihr Gemüt beschwerte. Wozu ihr seine Sorge um Kivrin aufbürden?
    »Nichts als Ihre Unterschrift unter den Anforderungsschein«, sagte er und gab ihr das Formular.
    Sie signierte es, ohne hinzusehen. »Heute früh war ich bei Gilchrist«, sagte sie, als sie ihm das Blatt zurückgab.
    Er war so überrascht und gerührt, daß ihm die Worte fehlten.
    »Ich dachte, ich könnte ihn überzeugen, das Netz früher zu öffnen. Ich erklärte, daß es nicht nötig sei, zu warten, bis volle Immunisierung erreicht sei. Immunisierung eines kritischen Prozentsatzes des Virusreservoirs begrenzt wirksam das Ansteckungsrisiko.«
    »Aber Ihre Argumente machten auf ihn nicht den geringsten Eindruck.«
    »Nein. Er ist überzeugt davon, daß der Erreger aus der Vergangenheit durchkam.« Mary seufzte wieder. »Er hat Tabellen der zyklischen Mutationsmuster von Myxoviren des Typs A zusammengestellt. Aus diesen geht hervor, daß ein 1318-19 existierender Myxovirus Typ A ein H9N2 war.« Sie rieb sich wieder die Schläfen. »Er wird das Laboratorium nicht öffnen, bis volle Immunisierung erreicht und die Quarantäne aufgehoben wird.«
    »Und wann wird das sein?« fragte er, obwohl er eine gute Vorstellung hatte.
    »Die Quarantäne muß bis sieben Tage nach der vollen Immunisierung in Kraft bleiben, beziehungsweise vierzehn Tage nach dem Auftreten des letzten Krankheitsfalles.«
    Letztes Auftreten. Zwei Wochen ohne neue Krankheitsfälle. »Und wie lange wird die allgemeine Immunisierung in Anspruch nehmen?«
    »Sobald wir hinreichende Mengen Impfstoff haben, nicht lange. Nach der Pandemie hatten wir die Immunisierung innerhalb von achtzehn Tagen erreicht.«
    Achtzehn Tage. Nachdem ausreichende Mengen des Impfstoffes hergestellt waren. Ende Januar. »Das ist zu spät«, sagte er.
    »Ich weiß. Wir müssen den Ursprung des Erregers positiv identifizieren, das ist alles.« Sie wandte sich der Konsole zu. »Die Antwort ist hier drinnen, wissen Sie. Wir suchen bloß am falschen Ort.« Sie drückte Tasten, und eine neue Tabelle erschien. »Ich habe Querverbindungen und Wechselbeziehungen untersucht, Veterinärstudenten, Primärkontakte, die in der Nähe eines Zoos leben, ländliche Anschriften. Unter den Sekundärinfektionen haben wir einen, der zur Moorhuhnjagd geht. Aber mit Wasservögeln hat keiner zu tun gehabt, außer in Form der Weihnachtsgans.«
    Sie rief die Tabelle der Primärkontakte ab. Badris Name stand noch immer an erster Stelle. Sie saß da und blickte lange in den Bildschirm, so vertieft wie Montoya in ihre ausgegrabenen Knochen.
    »Als erstes muß ein Arzt lernen, nicht zu hart mit sich

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