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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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selbst ins Gericht zu gehen, wenn er einen Patienten verliert«, sagte sie. Er wußte nicht, ob sie Kivrin oder Badri meinte.
    »Ich werde das Netz aufbringen«, sagte er.
    »Hoffen wir es.«
    Die Antwort lag nicht in den Tabellen der Kontaktpersonen oder den Allgemeinheiten. Sie lag in Badri, der trotz aller Fragen, die sie den Sekundärpersonen gestellt hatten und trotz aller falschen Fährten die Primärquelle geblieben war. Badri war der Indexfall, und nirgendwann in den vier bis sechs Tagen vor der Absetzoperation war er mit einem Reservoir des Erregers in Berührung gekommen.
    Er ließ sich von Mary einen Schutzanzug aus Papier geben und ging hinauf in die Isolierstation, um ihn zu besuchen. In der Station saß ein Krankenpfleger am Schreibtisch, ein großer, nervöser junger Mann, der nicht älter als siebzehn aussah.
    »Wo ist…?« fing Dunworthy an und merkte, daß er den Namen der blonden Praktikantin nicht wußte.
    »Sie hat sich angesteckt«, sagte der Pfleger. »Sie ist schon die Zwanzigste vom Pflegepersonal, und sie haben keine ausgebildeten Schwestern mehr. Das Gesundheitsamt hat Medizinstudenten vom sechsten Semester aufwärts dienstverpflichtet. Ich bin tatsächlich erst im zweiten Semester, habe aber eine Ausbildung in Erster Hilfe.«
    »Wann ist Ihre Vorgängerin erkrankt?«
    »Gestern.«
    Gestern. Ein ganzer Tag war vergangen, und niemand hatte Badris Äußerungen aufgezeichnet. »Erinnern Sie sich an irgend etwas, was Badri sagte, während Sie bei ihm im Zimmer waren?« fragte er ohne viel Hoffnung. Ein Student im zweiten Semester. »Irgendwelche Worte oder Sätze, die Sie verstehen konnten?«
    »Sie sind Mr. Dunworthy, nicht wahr?« sagte der Pfleger. »Eloise sagte, Sie wollten alles wissen, was der Patient sagt.«
    Dunworthy legte den neu eingetroffenen Schutzanzug an. Er war weiß und entlang der Rückenöffnung mit winzigen schwarzen Kreuzen markiert.
    »Es ging ihr ziemlich schlecht, aber sie sagte immer wieder, wie wichtig es sei.«
    Der junge Mann führte Dunworthy in Badris Krankenzimmer, überprüfte die Kontrollanzeigen und beugte sich zu Badri. Wenigstens sieht er den Patienten an, dachte Dunworthy.
    Badri hatte die Hände auf der Bettdecke und zupfte daran mit Händen, die denen in Colins Abbildung vom Sarkophag des Ritters glichen. Seine eingesunkenen Augen waren offen, aber er sah weder den Pfleger noch Dunworthy oder die Bettdecke, die seine unruhigen Hände anscheinend nicht greifen konnten.
    »Ich habe in der Fachliteratur darüber gelesen«, sagte der junge Mann, »aber bisher nie einen Fall gesehen. Es ist bei Infektionen der Atmungsorgane ein verbreitetes Finalsymptom.« Er ging zur Konsole, gab etwas ein und zeigte zum Bildschirm. »Ich habe alles festgehalten.«
    Er hatte, sogar das unverständliche Gefasel. Das hatte er phonetisch wiedergegeben mit Ellipsen zur Kennzeichnung von Pausen und Fragezeichen hinter Wörtern, die nicht verständlich waren. »Verschiebung«, hatte er geschrieben, und »Helfer?« und »Warum kommt er nicht?«
    »Das ist hauptsächlich von gestern«, sagte er. Er bewegte einen Markierungspfeil zum unteren Drittel des Bildschirms. »Heute morgen hat er ein bißchen geredet. Jetzt sagt er natürlich nichts mehr.«
    Dunworthy setzte sich neben Badri und nahm seine Hand. Sogar durch den Gummihandschuh fühlte sie sich kalt an. Er blickte zur Temperaturanzeige. Badri hatte kein Fieber mehr, und mit ihm war die dunkle Röte aus seinem Gesicht gewichen. Er schien alle Farbe verloren zu haben. Seine Haut war grau wie nasse Asche.
    »Badri«, sagte er, »ich bin Mr. Dunworthy und gekommen, Ihnen ein paar Fragen zu stellen.«
    Keine Reaktion. Die kalte Hand lag schlaff in Dunworthys behandschuhten Fingern, die andere zupfte weiter an der Bettdecke.
    »Dr. Ahrens glaubt, Sie könnten Ihre Krankheit von einem Tier haben, einer Wildente oder Gans.«
    Der junge Pfleger blickte interessiert von Dunworthy zu Badri und zurück, als hoffte er, Zeuge eines weiteren, bisher unbeobachteten medizinischen Phänomens zu werden.
    »Badri, können Sie sich erinnern? Hatten Sie in der Woche vor der Absetzoperation irgendeinen Kontakt mit Enten oder Gänsen?«
    Badris Hand bewegte sich. Dunworthy sah sie stirnrunzelnd an und überlegte, ob der Kranke versuchte, ihm etwas mitzuteilen, doch als er seinen Griff ein wenig lockerte, zupften die dünnen, skeletthaften Finger nur ziellos an seiner Handfläche, an den Fingern und am Handgelenk.
    Plötzlich schämte er sich, daß er

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