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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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hier saß und Badri mit Fragen quälte, obwohl er jenseits allen Hörens war, jenseits aller Wahrnehmung.
    Er legte Badris Hand auf die Bettdecke zurück. »Ruhen Sie sich aus«, sagte er und klopfte mit den Fingerspitzen leicht darauf. »Versuchen Sie zu ruhen.«
    »Ich bezweifle, daß er Sie hören kann«, sagte der Pfleger. »Wenn sie so weit hinüber sind, ist kein Bewußtsein mehr da.«
    »Ich weiß«, sagte Dunworthy, aber er blieb am Bett sitzen.
    Der Pfleger kontrollierte den Tropf, beobachtete ihn nervös und stellte ihn ein. Er blickte besorgt zu Badri, justierte den Tropf ein drittes Mal und ging endlich hinaus. Dunworthy blieb sitzen und sah Badris Finger mechanisch an der Decke zupfen, sie zu greifen, ohne es zu können. Sich festzuhalten. Hin und wieder murmelte er etwas, zu leise, als daß Dunworthy es verstehen konnte. Er begnügte sich damit, behutsam den Arm des Kranken zu reiben. Nach einer Weile verlangsamte sich die zupfende Bewegung der Finger, aber Dunworthy wußte nicht, ob es ein gutes Zeichen war oder nicht.
    »Friedhof«, sagte Badri.
    »Nein«, sagte Dunworthy. »Nein.«
    Er saß noch eine Weile länger, rieb Badris Arm, aber diesmal schien es seine Unruhe zu verschlimmern. Er stand auf. »Versuchen Sie zu ruhen«, sagte er und ging hinaus.
    Der Pfleger saß am Schreibtisch und las in einem Lehrbuch für Schwesternschülerinnen über die richtige Behandlung und Pflege bettlägeriger Patienten.
    »Bitte verständigen Sie mich, wenn …«, sagte Dunworthy und merkte, daß er den Satz so nicht zu Ende bringen konnte. »Bitte verständigen Sie mich.«
    »Ja, Sir«, sagte der junge Mann. »Wo sind Sie zu erreichen?«
    Er suchte in der Tasche nach einem Stück Papier zum Beschreiben und brachte die Medikamentenliste zum Vorschein. Er hatte sie beinahe vergessen. »Im Balliol College«, sagte er. »Wenn Sie telefonisch nicht durchkommen, schicken Sie einen Boten.« Und er ging hinunter zum Magazin.
    »Sie haben das Formular nicht ausgefüllt«, sagte die alte Frau nach einem Blick auf das Formblatt.
    »Ich habe die Unterschrift«, sagte er und gab ihr seine Liste. »Füllen Sie es selbst aus.«
    Kopfschüttelnd überflog sie die Liste der aufgeführten Artikel. »Wir haben weder Schutzmasken noch Thermometer.«
    Sie nahm eine kleine Flasche Aspirin vom Regal. »Synthamycin und AZI sind ausgegangen.«
    Das Fläschchen Aspirin enthielt vielleicht zwanzig Tabletten. Er steckte es in die Tasche, verließ das Krankenhaus und ging zur Apotheke in die High Street. Vor dem Eingang stand eine Gruppe aufgebrachter Leute, und er hörte die Worte »unfair« und »Preiswucher!« aus dem erregten Stimmengewirr. Er ging hinein. Schutzmasken waren ausgegangen, Thermometer zum Ankleben und Aspirin unerhört teuer. Er kaufte alles, was sie davon hatten.
    Er verbrachte den Abend mit der Verteilung der Medikamente und dem Studium von Badris Krankenblatt, um irgendeinen Hinweis auf den Ursprung des Virus zu finden. Badri hatte am 10. Dezember in Ungarn eine Absetzoperation ins 19. Jahrhundert vorgenommen, aber aus den verfügbaren Unterlagen ging nicht hervor, wo in Ungarn, und William wußte es nicht, und die Telefone waren noch immer außer Betrieb.
    Sie waren es auch noch am Morgen, als Dunworthy im Krankenhaus anrufen wollte, um sich über Badris Zustand zu unterrichten. Er konnte nicht einmal ein Amtszeichen bekommen, aber sobald er den Hörer aufgelegt hatte, läutete das Telefon.
    Es war Andrews. Dunworthy konnte seine Stimme durch die Störungen kaum verstehen. »Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat«, sagte er, und dann noch etwas, was gänzlich verlorenging.
    »Ich kann Sie kaum verstehen«, sagte Dunworthy.
    »Ich sagte, ich hatte Schwierigkeiten, durchzukommen. Die Telefonleitungen…« Weitere Störungen. »Ich habe die Parameter überprüft, mit drei verschiedenen Ausgangspunkten und einer Triangulation…« Der Rest ging wieder verloren.
    »Was war die maximale Verschiebung?« rief er ins Telefon.
    Die Leitung war momentan störungsfrei. »Sechs Tage.«
    »Das war mit einer…« Neuerliche Störungen. »Ich rechnete die Wahrscheinlichkeiten durch, und das mögliche Maximum für eine Verschiebung innerhalb eines Umkreises von fünfzig Kilometern war noch immer fünf Jahre.« Die Störungen nahmen wieder überhand, und die Verbindung ging verloren.
    Dunworthy legte den Hörer auf. Er hätte sich beruhigt und ermutigt fühlen sollen, schien jedoch außerstande, eine Gefühlsregung aufzubringen.

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