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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Reittier. Nase und Ohren waren rot vor Kälte. Er wollte absitzen und starrte sie an, als Kivrin mit dem erhobenen Spaten fuchtelte.
    »Du darfst nicht näherkommen«, sagte sie. »In diesem Dorf ist die Pest.« Sie richtete den Spaten wie ein Gewehr auf ihn.
    Der Junge hatte ein Bein bereits über die Pferdekruppe gehoben, aber nun setzte er sich wieder in den Sattel.
    »Die Blaukrankheit«, fügte sie hinzu, falls er nicht verstand, aber er nickte schon.
    »Sie ist überall«, sagte er und drehte den Oberkörper, um etwas aus der Satteltasche zu nehmen. »Ich bringe eine Botschaft.« Er streckte Pater Roche eine lederne Mappe hin, und er trat näher, sie entgegenzunehmen.
    »Nein, nein!« sagte Kivrin und trat näher, den Spaten vor ihm in die Luft stoßend. »Laß die Botschaft auf den Boden fallen«, sagte sie. »Du darfst uns nicht berühren.«
    Der Junge zog eine verschnürte und gesiegelte kleine Rolle Schreibpergament aus der Mappe und warf sie Pater Roche vor die Füße.
    Der hob sie auf, löste das Band und entrollte sie. »Was sagt die Botschaft?« fragte er den Jungen. Natürlich, dachte Kivrin, er kann nicht lesen.
    »Ich weiß nicht«, sagte der Junge. »Der Bischof von Bath hat sie gesiegelt. Ich soll sie zu allen Pfarreien bringen.«
    »Möchtet Ihr, daß ich sie lese?« fragte Kivrin.
    »Vielleicht ist sie vom Herrn«, sagte Pater Roche. »Vielleicht schickt er Nachricht, daß er aufgehalten wurde.«
    »Ja.« Kivrin nahm ihm die Rolle aus der Hand, aber sie wußte, daß seine Vermutung nicht zutraf.
    Die Botschaft war lateinisch und in kunstvollen Unzialen geschrieben, die schwierig zu lesen waren, aber das machte nichts. Sie hatte dies oder ein gleiches Pergament schon früher gelesen. In der Bodleian-Bibliothek.
    Sie lehnte den Spaten an ihre Schulter, las die Botschaft und dolmetschte das Latein.
    »Die ansteckende Pestilenz dieser Tage, die sich in Nah und Fern ausbreitet, hat viele Pfarreien unserer Diözese ihrer Priester beraubt und die Pfarrkinder ohne geistlichen Beistand gelassen.«
    Sie blickte zu Pater Roche. Nein, nicht hier, dachte sie. Ich werde nicht zulassen, daß dies hier geschieht.
    Die Priester waren tot oder geflohen, und niemand konnte überredet werden, ihren Platz einzunehmen, und die Pfarrkinder starben »ohne das Sakrament der Buße«.
    Sie las weiter, und vor ihren Augen standen nicht die schwarzen Buchstaben, sondern die bräunlich verblaßten, die sie in der Bodleian-Bibliothek entziffert hatte. Damals hatte sie das bischöfliche Rundschreiben wichtigtuerisch und lächerlich gefunden. »Überall starben die Menschen«, hatte sie Mr. Dunworthy empört erzählt, »und der Bischof hatte keine anderen Sorgen als das Kirchenprotokoll!« Jetzt aber, als sie es dem erschöpften Jungen und Pater Roche vorlas, hörte sich auch die Botschaft erschöpft und hilflos an. Und verzweifelt.
    »Wenn sie dem Tode nahe sind und sich nicht des Beistandes eines Priesters versichern können«, las sie, »dann sollten sie einander die Beichte ablegen und von ihren Sünden lossprechen. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi bitten Wir euch, in diesen Zeiten der Not so zu verfahren.«
    Weder der Junge noch Pater Roche sagte etwas, als sie die Botschaft verlesen hatte. Vielleicht hatte der Junge nicht gewußt, was er überbrachte. Sie rollte das Pergament wieder zusammen und gab es ihm zurück.
    Der Junge hing mehr im Sattel als daß er saß. »Ich bin drei Tage geritten«, sagte er. »Kann ich hier nicht eine Weile ausruhen?«
    »Es ist gefährlich«, sagte Kivrin mitleidig. »Wir werden dir Nahrung für dich und dein Pferd mitgeben.«
    Pater Roche wandte sich, zum Küchenhaus zu gehen, und Kivrin besann sich auf ihre Suche. »Hast du im Dorf ein kleines Mädchen gesehen?« fragte sie den Jungen. »Ein fünfjähriges Kind mit einem roten Umhang und einer Haube?«
    »Nein«, sagte der Junge, »aber es sind viele auf den Straßen. Sie fliehen die Pestilenz.«
    Als Kivrin in die Scheune ging und für das Pferd einen Sack mit Hafer füllte, kam Eliwys aus dem Haus gelaufen, daß ihre Röcke sich zwischen den Beinen verfingen und das offene Haar im Wind flog.
    »Nicht zu nahe kommen!« rief Kivrin von der Scheuneneinfahrt, aber Eliwys hatte die Hand bereits am Zaumzeug des Pferdes.
    »Woher kommst du?« fragte sie den Jungen und faßte mit der freien Hand nach seinem Ärmel. »Hast du nichts vom Gefolgsmann meines Gemahls gesehen?«
    Der Junge sah sie verwirrt und furchtsam an. »Ich komme aus Bath, mit

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