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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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war ihr gelungen, die Straße von Oxford nach Bath und das Dorf Skendgate zu finden. Und dort war sie gestorben, ein Opfer der Influenza, mit der sie sich vor der Absetzoperation infiziert hatte. Oder sie war nach der Seuche an Hunger und Entbehrungen zugrunde gegangen, oder an Verzweiflung. Sie war seit siebenhundert Jahren tot.
    »Dann haben Sie es also gefunden«, sagte er, und es war keine Frage.
    »Was gefunden?« fragte Colin.
    »Kivrins Aufnahmegerät.«
    »Nein«, sagte Montoya.
    Er fühlte keine Erleichterung. »Aber Sie werden es finden«, sagte er.
    Ihre Hände zitterten ein wenig, und sie legte sie ineinander. »Kivrin bat mich darum«, sagte sie. »Am Tag ihrer Abreise. Sie war diejenige, die vorgeschlagen hatte, daß das Aufnahmegerät wie ein Knochenstück aussehen sollte, damit die Aufzeichnung überleben würde, selbst wenn sie bei dem Unternehmen umkommen sollte. ›Mr. Dunworthy macht sich unnötige Sorgen‹, sagte sie, ›aber wenn etwas schiefgehen sollte, werde ich versuchen, im Friedhof begraben zu werden, damit Sie nicht halb England ausgraben müssen.‹«
    Dunworthy schloß die Augen.
    »Aber Sie wissen nicht, daß sie tot ist, wenn Sie das Aufnahmegerät nicht gefunden haben«, platzte Colin heraus. »Sie sagten, Sie wüßten nicht einmal, wo sie war. Wie können Sie sicher sein, daß sie tot ist?«
    »Die Gesundheitsbehörde hat auf unserer Ausgrabungsstätte Tierversuche mit Ratten durchgeführt. Für die Infektion mit dem Virus genügt eine Viertelstunde Aufenthalt im Infektionsbereich. Kivrin war über drei Stunden lang der Infektionsquelle unmittelbar ausgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, daß sie infiziert wurde, beträgt 75 Prozent, und in Anbetracht der begrenzten medizinischen Hilfsmittel, die im 14. Jahrhundert zur Verfügung standen, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Komplikationen gekommen sein.«
    Begrenzte medizinische Hilfsmittel! Es war ein Jahrhundert, in dem man Krankheiten mit pulverisierten Kröten, mit Blutegeln und Aderlässen behandelte, wo man nichts von Krankheitserregern oder T-Zellen oder Desinfektion gehört hatte. Wenn Kivrin Glück gehabt und Hilfe gefunden hatte, würde man sie mit schmutzigen Breiumschlägen behandelt, zur Ader gelassen und Gebete gemurmelt haben.
    »Ohne unterstützende Therapie mit Antibiotika und T-Zellen-Verstärkung«, sagte Montoya, »beträgt die Sterblichkeitsrate bei dieser Viruserkrankung 49 Prozent. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung…«
    »Wahrscheinlichkeitsrechnung!« sagte Dunworthy bitter. »Sind das Gilchrists Zahlen?«
    Montoya warf Colin einen Seitenblick zu, und eine Falte erschien zwischen ihren Brauen. »Die Wahrscheinlichkeit, daß Kivrin infiziert wurde, beträgt 75 Prozent, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie vom Pesterreger infiziert wurde, 86 Prozent. Die Sterblichkeitsrate bei Beulenpest beträgt 91 Prozent, und bei…«
    »Sie hat die Pest nicht bekommen«, sagte Dunworthy. »Sie bekam ihre Schutzimpfung. Hat Dr. Ahrens oder Gilchrist Ihnen das nicht gesagt?«
    Montoya blickte wieder zu Colin.
    »Sie sagten, daß ich es ihm nicht erzählen dürfe«, sagte Colin, der ihren Blick trotzig erwiderte.
    »Was erzählen? Ist Gilchrist krank?« Er erinnerte sich, daß er in Gilchrists Arme gefallen war. Vielleicht hatte er ihn dabei infiziert.
    Montoya sagte: »Mr. Gilchrist starb vor drei Tagen an der Influenza.«
    Dunworthy blickte zu Colin. »Was sollst du mir sonst noch vorenthalten?« fragte er ihn. »Wer starb noch, während ich krank war?«
    Montoya hob ihre dünne Hand, als wollte sie Colin zurückhalten, aber es war zu spät.
    »Großtante Mary«, sagte er.

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(077076-078924)
     
    Maisry ist davongelaufen. Pater Roche und ich suchten sie überall, in Sorge, daß sie erkrankt sei und sich in irgendeinen Winkel verkrochen haben würde, aber der Verwalter sagte, er habe sie auf Agnes’ Pony zum Wald reiten sehen, während er den gefrorenen Boden für Walthefs Grab aufhackte.
    Sie wird die Pest nur verbreiten und nicht weiter als zu irgendeinem Nachbardorf kommen, das bereits von der Seuche befallen ist. Sie muß jetzt überall um uns sein. Wenn abends zur Vesper geläutet wird, klingen die Glocken anders als sonst, wie aus dem Takt geraten, als ob die Glockenläuter verrückt geworden wären. Es ist unmöglich, auszumachen, ob es neun Schläge oder drei sein sollen. Die beiden Glocken von Courcy läuteten heute früh nur einmal, und ich fragte mich, ob es

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