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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Dienst antrat.
    »Ja«, sagte sie nach einem Blick auf die Ablesungen. »Draußen wartet schon jemand und möchte Sie sprechen.«
    Es war Mrs. Gaddson. Sie hatte ihre Bibel bereits aufgeschlagen.
    »Lukas, Kapitel 23, Vers 33«, sagte sie mit einem pestilenzartig vernichtenden Blick. »Da Sie so sehr an der Kreuzigung interessiert sind. ›Als sie zu dem Ort, der Schädelstätte heißt, gekommen waren, schlugen sie Ihn ans Kreuz.‹«
    Wenn Gott gewußt hätte, wo Sein Sohn war, hätte Er es niemals zugelassen, dachte Dunworthy. Er hätte das Netz überprüft und ihn herausgezogen, Er wäre gekommen und hätte ihn gerettet.
    Während des Schwarzen Todes hatten die Menschen sich von Gott verlassen geglaubt. »Warum wendest du dein Angesicht von uns?« hatten sie geschrieben. »Warum mißachtest du unser Rufen?« Aber vielleicht hatte Er sie nicht gehört. Vielleicht war Er bewußtlos und krank im Himmel gewesen, selber hilflos und unfähig zu kommen.
    »Da legte sich auf das ganze Land eine Finsternis, die bis zur neunten Stunde dauerte«, las Mrs. Gaddson, »weil die Sonne sich verfinsterte…«
    Die Zeitgenossen hatten geglaubt, es sei der Weltuntergang, und Satan habe schließlich triumphiert. Das hatte er, dachte Dunworthy. Er hatte das Netz ausgeschaltet. Er hatte die Fixierung verloren.
    War Gilchrist vor seinem Tod klargeworden, was er getan hatte, oder hatte er in besinnungsloser Vergessenheit gelegen, ohne zu wissen, daß er Kivrin dem Verderben ausgeliefert hatte?
    »Jesus führte sie sodann bis nach Bethanien hinaus und erhob segnend Seine Hände«, las Mrs. Gaddson. »Und segnend schied Er von ihnen und fuhr zum Himmel auf.«
    Er schied von ihnen und fuhr zum Himmel auf. Gott kam doch noch, ihn zu holen, dachte Dunworthy. Aber zu spät. Zu spät.
    Sie las weiter, bis die Praktikantin ihren Dienst antrat. »Zeit für ein Nachmittagsschläfchen«, sagte sie in munterem Ton, faßte Mrs. Gaddson am Arm und schob sie hinaus. Sie kam an sein Bett, zog ihm das Kissen unter dem Kopf heraus und schüttelte es auf.
    »Ist Colin gekommen?« fragte er.
    »Ich habe ihn seit gestern nicht gesehen«, sagte sie. »Sie sollen jetzt versuchen, ein wenig zu schlafen.« Sie schob ihm das Kissen wieder unter den Kopf.
    »Mrs. Montoya ist nicht dagewesen?«
    »Nicht seit gestern.« Sie gab ihm eine Kapsel und einen Pappbecher.
    »Sind irgendwelche Botschaften überbracht worden?«
    »Keine Botschaften«, sagte sie. Sie nahm den leeren Becher zurück. »Schlafen Sie jetzt.«
    Keine Botschaften. Kivrin hatte zu Montoya gesagt, sie werde versuchen, auf dem Friedhof begraben zu werden, aber auf den Friedhöfen war es zu eng geworden. Sie hatten die Pestopfer in Gräben und Flüsse geworfen, und zuletzt waren sie unbestattet auf den Straßen liegengeblieben. Man hatte sie auf Scheiterhaufen verbrannt oder auf Karren geladen und hinausgefahren und irgendwo verscharrt.
    Montoya würde das Aufnahmegerät niemals finden. Und sollte sie es doch finden, was würde die Botschaft sein? »Ich ging zum Absetzort, aber das Netz wurde nicht geöffnet. Was ist geschehen?« Kivrins Stimme, vorwurfsvoll, in schriller Panik: »Warum hast du mich verlassen?«
    Als Essenszeit war, kam die Praktikantin, half ihm aus dem Bett auf einen Stuhl und setzte ihm sein Tablett mit dem Essen vor. Als er sein Pflaumenkompott aß, kam Finch herein.
    »Obstkonserven haben wir schon lange nicht mehr«, sagte er mit einem Blick auf Dunworthys Schale. »Und auf Toilettenpapier warten wir noch immer. Ich habe keine Ahnung, wie wir das Semester beginnen sollen.« Er setzte sich auf das Fußende des Bettes. »Die Universität hat den Semesterbeginn auf den Fünfundzwanzigsten festgesetzt, aber bis dahin können wir nicht fertig sein. Wir haben noch immer fünfzehn Patienten im Studentenwohnheim, die allgemeinen Schutzimpfungen haben gerade erst angefangen, und ich bin ganz und gar nicht überzeugt, daß wir die letzten Influenzafälle gesehen haben.«
    »Wie geht es Colin?« fragte Dunworthy.
    »Gut, Sir. Er war etwas melancholisch, nachdem Dr. Ahrens gestorben war, aber seit es mit Ihnen aufwärts geht, ist er schon viel munterer geworden.«
    »Ich möchte Ihnen danken, daß Sie ihm geholfen haben«, sagte Dunworthy. »Colin sagte mir, Sie hätten das Begräbnis vorbereitet.«
    »Oh, ich freute mich, helfen zu können, Sir. Er hatte sonst niemanden, wissen Sie. Ich war ganz sicher, daß seine Mutter kommen würde, nun, da die Gefahr vorüber ist, aber sie sagte, es sei

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