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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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er hervor.
    »Was ist?« Er streckte die Hand nach der Klingel aus. »Was meinen Sie?«
    Badris Augen waren angstgeweitet. »Es schmerzt!«
    Dunworthy drückte den Klingelknopf. Gleich darauf kamen die Praktikantin und ein Arzt herein und begannen wieder mit ihrer Routine. Badri mußte aufrecht sitzen, sein Rücken wurde entblößt und er bekam das eisige Stethoskop zu spüren.
    »Er klagte über Kälte und daß etwas schmerzt«, sagte Dunworthy.
    »Wo schmerzt es?« fragte der Arzt.
    »Hier«, sagte Badri und drückte die Hand an die rechte Brustseite. Er fröstelte wieder.
    »Rippenfellentzündung unten rechts«, sagte der Arzt.
    »Es schmerzt beim Atmen«, sagte Badri durch schnatternde Zähne. »Da ist was nicht in Ordnung.«
    Nicht in Ordnung. Er hatte nicht die Fixierung gemeint. Er hatte gemeint, daß etwas mit ihm nicht in Ordnung war. Wie alt war er? In Kivrins Alter? Vor annähernd zwanzig Jahren hatte man angefangen, in größerem Umfang antivirale Medikamente gegen Grippeerkrankungen einzusetzen. Es war denkbar, daß er mit der Bemerkung, er sei nie krank gewesen, gemeint hatte, daß er niemals auch nur eine Erkältungskrankheit gehabt habe.
    »Sauerstoff?« fragte die Praktikantin.
    »Noch nicht«, sagte der Arzt, schon im Gehen. »Fangen Sie mit zweihundert Einheiten Chloramphenicol an.«
    Die Praktikantin legte Badri wieder zurück, richtete ihm die Decke, brachte einen zusätzlichen Plastikbeutel am Tropf an, beobachtete die Temperaturanzeige eine Minute lang und ging hinaus.
    Dunworthy blickte aus dem Fenster in die regnerische Nacht. Badri hatte nicht gesagt, daß er sich krank gefühlt habe. Wie war das zu erklären? Jemand, der nie eine Erkältung gehabt hatte, würde nicht wissen, was er von Fieber oder Schüttelfrost halten sollte. Er würde nur bemerken, daß etwas nicht stimmte. So war es mit Badri gewesen; er hatte das Netz verlassen und war zum Pub gelaufen, um es jemandem zu erzählen. Muß es Dunworthy sagen. Etwas ist nicht in Ordnung.
    Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Das Desinfektionsmittel machte sie brennend. Er fühlte sich erschöpft. Er hatte gesagt, er könne sich nicht entspannen, bis er wisse, daß Kivrin wohlauf sei. Badri war wieder eingeschlafen; die Magie der Ärzte hatte seiner Atmung die Rauheit genommen. Und Kivrin schlief jetzt ach, siebenhundert Jahre entfernt in einem von Flöhen wimmelnden Bett. Oder sie war hellwach und beeindruckte die Zeitgenossen mit ihren Tischsitten und ihren schmutzigen Fingernägeln, oder sie kniete auf einem schmutzigen Steinboden und teilte ihren gefalteten Händen die bestandenen Abenteuer mit.
    Er mußte eingenickt sein. Im Traum hörte er ein Telefon läuten. Es war Finch, der ihm sagte, die Amerikanerinnen drohten das College wegen unzureichender Versorgung mit Toilettenpapier zu verklagen, und daß der Vikar angerufen und auf die Heilige Schrift verwiesen habe. »Es ist Matthäus 2.11«, sagte Finch. »Verschwendung führt zu Mangel«, und in diesem Augenblick öffnete die Praktikantin die Tür und sagte ihm, daß Mary ihn in der Notaufnahme erwarte.
    Er sah auf seine Armbanduhr. Es war zwanzig nach vier. Badri schlief noch immer und sah beinahe friedlich aus. Draußen erwartete ihn die Praktikantin mit dem Desinfektionsmittel in ihrer Sprühflasche und wies ihn an, den Aufzug zu nehmen.
    Der Geruch des Desinfektionsmittels an seiner Brille half ihm, die Schläfrigkeit abzuschütteln. Als er im Erdgeschoß anlangte, war er beinahe wach. Mary erwartete ihn in Schutzkleidung und mit Atemmaske. »Wir haben einen weiteren Fall«, sagte sie und übergab ihm den nun schon vertrauten Plastikbeutel mit Schutzkleidung. »Es könnte eine Person aus der Menge der Passanten sein. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie versuchten, sie zu identifizieren.«
    Er legte die Schutzkleidung so ungeschickt wie beim ersten Mal an und zerriß den Papierkittel beinahe bei den Bemühungen, die Klettstreifen auseinanderzuziehen. »Es waren Dutzende, vielleicht Hunderte von Passanten auf der High Street unterwegs«, sagte er beim Überstreifen der Gummihandschuhe, »und ich beobachtete Badri. Ich bezweifele, daß ich jemanden aus der Menge der Passanten wiedererkennen könnte.«
    »Ich weiß.« Mary führte ihn den Korridor entlang und durch die Tür der Notaufnahme. Er hatte das Gefühl, Jahre seien vergangen, seit er zuletzt dort gewesen war.
    Weiter voraus umringte eine Gruppe von Gestalten, alle anonym in Papierschutzkleidung, einen Rollwagen mit

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