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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Menge Patienten bekommen. Influenza breitet sich wie ein Buschfeuer aus, und die Quarantäne wird es nur noch schlimmer machen. Das medizinische Personal ist immer als erstes der Infektion ausgesetzt. Wenn unsere Leute erkranken oder die Versorgung mit geeigneten Medikamenten nicht ausreicht, könnte dieses Jahrhundert dasjenige sein, das eine Zehn verdient.«
    Sie rieb sich mit müder Bewegung die Stirn. »Tut mir leid, aus mir spricht die Erschöpfung. Dies ist nicht das Mittelalter, es ist nicht einmal das 20. Jahrhundert. Wir haben eine ganze Palette von wirksamen Medikamenten, und wenn es das South Carolina-Virus ist, haben wir etwas Ähnliches und einen Impfstoff. Trotzdem bin ich froh, daß Colin und Kivrin aus dieser Sache heraus sind.«
    »Sicher im Mittelalter«, sagte Dunworthy.
    Mary lächelte ihm zu. »Bei den Halsabschneidern.«
    Die Tür sprang auf. Ein großer blonder Junge mit großen Füßen und einem dicken Wollmantel kam herein und vertropfte Wasser auf dem Boden.
    »Colin!«
    »Hier also bist du«, sagte Colin. »Ich habe dich überall gesucht.«

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(000893-000898)
     
    Mr. Dunworthy, ad adjuvandum me festina.

    ( Kommen Sie mir schnell zu Hilfe. )

Mitten im rauhen Winter
Stöhnte der frostige Wind,
Die Erde stand hart wie Eisen,
Wasser wie ein Stein;
Schnee war gefallen, Schnee auf Schnee,
Schnee auf Schnee,
Mitten im rauhen Winter,
Vor langer Zeit.
    CHRISTINA ROSSETTI
     
10
     
     
    Das Feuer war ausgegangen. Der Rauch war noch in der Luft, aber Kivrin wußte, daß er von einem Feuer kam, das irgendwo in einer Herdstelle brannte. Kein Wunder, dachte sie. Schornsteine erschienen in England erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts, und dies ist erst das Jahr 1320. In dieser Zeit kennt man nur das Rauchhaus. Und sobald sich dieser Gedanke geformt hatte, wurde ihr alles andere bewußt. Ich bin im Mittelalter, und ich war krank. Ich hatte Fieber.
    Eine Weile dachte sie nicht weiter als bis dahin. Es war angenehm und friedlich, einfach dazuliegen und zu ruhen. Sie fühlte sich erschöpft, als hätte sie Schweres durchgemacht, das ihre ganze Kraft in Anspruch genommen hatte. Ich dachte, sie wollten mich auf dem Scheiterhaufen verbrennen, überlegte sie. Sie hatte sich zur Wehr gesetzt, und um sie her hatten die Flammen gelodert, nach ihren Händen geleckt, ihr Haar verbrannt.
    Sie mußten mir das Haar abschneiden, dachte sie und fragte sich, ob das eine Erinnerung war oder etwas, das sie geträumt hatte. Sie war zu müde, um die Hand zu ihrem Haar zu heben, zu müde sogar für den Versuch der Erinnerung. Ich muß sehr krank gewesen sein, dachte sie. Sie gaben mir die letzte Ölung. »Es ist nichts zu fürchten«, hatte er gesagt. »Du gehst nur wieder heim.« Requiescat in pace. Darüber schlief sie ein. Als sie wieder erwachte, war es dunkel im Raum, und weit entfernt läutete eine Glocke. Kivrin bildete sich ein, daß sie schon lange geläutet habe, so wie die einsame Glocke geläutet hatte, als sie durchgekommen war, aber nach einer Minute stimmte eine zweite das Geläut mit ein, und dann eine, die so nahe war, daß sie gerade vor dem Fenster zu läuten schien und die anderen übertönte. Matutin, dachte Kivrin, und sie schien sich zu erinnern, solches Läuten schon einmal gehört zu haben, ein ungleichmäßiges, unreines Läuten, das mit dem Schlag ihres Herzens übereinstimmte, aber das war unmöglich.
    Sie mußte es geträumt haben. Sie hatte geträumt, daß man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Sie hatte geträumt, daß man ihr das Haar abgeschnitten hatte. Sie hatte geträumt, daß die Zeitgenossen sich einer Sprache bedienten, die sie nicht verstand.
    Die nahe Glocke hörte auf zu tönen, aber die anderen läuteten noch eine Weile weiter, als freuten sie sich über die Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen, und auch daran erinnerte sich Kivrin. Wie lange war sie schon hier? Es war Nacht gewesen, und nun war es Morgen. Es kam ihr wie eine Nacht vor, doch nun fielen ihr die Gesichter ein, die sich über sie gebeugt hatten. Als die Frau ihr die Schale gebracht hatte, und als der Priester gekommen war, und mit ihm der Halsabschneider, hatte sie sie deutlich sehen können, ohne das Flackern des trügerischen Kienspans. Und dazwischen erinnerte sie Dunkelheit und den rauchigen Schein von Talglichtern, und die Glocken, immer wieder das Läuten und Verstummen der Glocken.
    Auf einmal durchfuhr es sie heiß und kalt. Wie lange lag sie schon hier? Wie, wenn sie

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