Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
seit Wochen krank gewesen war und die Rückholung bereits versäumt hatte? Aber das war unmöglich. Man lag nicht wochenlang im Delirium, nicht einmal mit Typhus, und sie konnte nicht Typhus haben. Sie war dagegen geimpft.
    Es war kalt in dem Raum, wo sie lag, weil das Feuer in der Nacht ausgegangen war. Sie tastete nach den Decken, und sofort kamen Hände aus der Dunkelheit und zogen ihr etwas Weiches über die Schultern.
    »Danke«, sagte Kivrin und schlief wieder ein.
     
    Auch das nächste Mal weckte sie die Kälte, und sie hatte das Gefühl, nur ein paar Augenblicke geschlafen zu haben, obwohl jetzt ein wenig Licht in den Raum fiel. Es kam aus einem schmalen, in die Steinwand eingelassenen Fenster. Jemand hatte den Fensterladen geöffnet, und von dort kam auch die Kälte.
    Eine Frau stand auf Zehenspitzen auf der Steinbank unter dem Fenster und befestigte ein Stück Stoff über der Öffnung. Sie trug ein schwarzes Gewand und eine weiße Haube mit Kopftuch, und für einen Augenblick dachte Kivrin, sie sei in einem Kloster, bis ihr einfiel, daß verheiratete Frauen im Mittelalter ihr Haar bedeckten. Nur unverheiratete Mädchen trugen ihr Haar offen und unbedeckt.
    Die Frau sah allerdings nicht alt genug aus, um verheiratet oder eine Nonne zu sein. Während ihrer Krankheit war eine Frau bei ihr gewesen, eine viel ältere Frau. Als Kivrin im Fieberwahn nach ihren Händen gegriffen hatte, hatten sie sich rauh und hart und runzlig angefühlt, und auch die Stimme der Frau war rauh gewesen, aber vielleicht war auch die Erinnerung Teil des Deliriums.
    Die Frau lehnte sich in das Licht vom Fenster. Die weiße Haube war vergilbt, und es war kein Gewand, sondern ein Kittel wie Kivrins, mit einem dunkelgrünen Überrock. Er war schlecht gefärbt und sah aus, als wäre er aus Sackleinwand gemacht. Das Gewebe war so grob, daß Kivrin es selbst im trüben Licht gut erkennen konnte. Dann mußte sie eine Dienerin sein, aber Dienerinnen trugen keine Leinenkappen und auch kein Schlüsselbund wie das, welches am Gürtel der Frau hing. Sie mußte eine Person von einiger Bedeutung sein, vielleicht die Haushälterin.
    Und dieses Haus war nicht die Hütte eines armen Mannes. Wahrscheinlich keine Burg, weil die Wand, an der ihr Strohsack lag, nicht aus Stein, sondern aus roh behauenem Holz war, aber sehr wahrscheinlich ein Herrensitz, wie er einem Landadeligen zukam, einem Ritter oder einem Baron. Sie lag in einem richtigen Bett mit erhöhtem hölzernen Rahmen und steifen Leintüchern, nicht bloß ein Strohsack am Boden, und die Decken waren Pelze. Auf der Steinbank unter dem Fenster lagen bestickte Polster.
    Die Frau band den Stoff an steinerne Nasen zu beiden Seiten des schmalen Fensters, stieg von der Bank und beugte sich herüber, um etwas zu nehmen. Kivrin konnte nicht sehen, was es war, denn der Bettvorhang, der zugezogen ihr Lager wie ein Alkoven abschloß, behinderte ihre Sicht. Er war aus schwerem Stoff, beinahe wie ein Teppich, und war mit einer Art Tau zusammengebunden.
    Die Frau richtete sich wieder auf, jetzt mit einer hölzernen Schale in der Hand, dann raffte sie ihre Röcke mit der freien Hand, stieg wieder auf die Steinbank und begann den Stoff mit etwas zu bestreichen. Öl, dachte Kivrin. Nein, Wachs. Gewachstes Leinen anstelle von Fensterglas. Nach den Erkenntnissen der Forschung war die Verwendung von Glas in Herrenhäusern des 14. Jahrhunderts üblich. Die Adeligen beförderten Glasfenster sogar mit dem Gepäck und den Möbeln, wenn sie von einem ihrer Wohnsitze zum anderen reisten.
    Ich muß das aufzeichnen, dachte Kivrin, daß manche Herrensitze offenbar keine Glasfenster hatten, und sie hob die Hände und legte sie zusammen, aber die Anstrengung war zu groß, und sie ließ sie auf die Decke zurückfallen.
    Die Frau sah über die Schulter zum Bett, dann wandte sie sich wieder dem Fenster zu und bestrich den Stoff mit langen, geübten Bewegungen. Ich muß auf dem Wege der Besserung sein, dachte Kivrin. Sie war die ganze Zeit, während ich krank war, bei meinem Bett. Der Gedanke führte wieder zu der Überlegung, wie lange sie krank gewesen war. Das mußte sie in Erfahrung bringen, und dann mußte sie den Absetzort finden.
    Es konnte nicht sehr weit sein. Wenn dies das Dorf war, das sie gesucht hatte, dann konnte der Absetzort nicht viel mehr als eine Meile entfernt sein. Sie suchte sich zu besinnen, wie lang die Wanderung zum Dorf gedauert hatte. Es war ihr lang vorgekommen. Der Halsabschneider hatte sie auf einen

Weitere Kostenlose Bücher