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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Pferd zu besteigen, und wenn sie es doch schaffte, würde das Schwindelgefühl zu stark sein, als daß sie sich auf dem Pferderücken würde halten, geschweige denn ausreifen und den Absetzort suchen können. Aber ich muß, dachte sie. Sie sind alle fort, und es wird Schnee geben.
    Sie blickte zum Tor und dann zur Durchfahrt zwischen Stallgebäude und Scheune und überlegte, welchen Weg sie nehmen solle. Sie waren einen Hügel heruntergekommen, vorbei an einer Kirche. Sie erinnerte sich an den Klang der Glocke. Von dem Tor oder dem Hof hatte sie keine Erinnerung, aber das war der wahrscheinlichste Weg, auf dem sie hergekommen war.
    Sie ging über das Kopfsteinpflaster, scheuchte das aufgeregt gluckende Huhn ungewollt unter den Wassertrog und blickte zum Tor hinaus auf die Straße. Diese überquerte einen schmalen Wasserlauf mit einer langen Brücke und verlor sich südwärts zwischen den Bäumen. Aber es gab keinen Hügel und keine Kirche, kein Dorf, keinen Hinweis, daß dies der Weg zum Absetzort war.
    Es mußte eine Kirche geben. Im Bett hatte sie die Glocke gehört. Sie ging zurück durch den Hof und hinüber zur Durchfahrt. Hier führte ein Karrenweg an einem Flechtwerkzaun vorbei, hinter dem zwei schmutzige Schweine grunzten, und ihrem Auslauf gegenüber befand sich der Abort, unverkennbar durch seinen Geruch. Aber hinter ihm beschrieb der Weg eine Biegung und führte hinaus auf einen Dorfanger.
    Und da war das Dorf. Und die Kirche, am anderen Ende des Angers, geradeso wie Kivrin sie in Erinnerung hatte, und dahinter lag die Anhöhe, die sie heruntergekommen waren.
    Der Dorfanger sah nicht sehr eindrucksvoll aus. Er war eine unregelmäßige Grünfläche zwischen den Hütten der Dorfbewohner auf seiner Seite und dem mit Erlen und Kopfweiden bestandenen Bachufer auf der anderen. Eine Kuh weidete ab, was an Gras übrig geblieben war, und ein Stück weiter war eine Ziege an eine große, winterkahle Eiche gebunden. Die Hütten zogen sich in unregelmäßiger Reihe längs der Dorfstraße zwischen Heuschobern und Misthaufen hin und wurden kleiner und formloser, je weiter sie vom Herrenhaus entfernt waren, aber selbst die ihm nächste Hütte, in welcher der Verwalter hausen mußte, war nichts als eine elende Kate mit fauligem Strohdach und Wänden aus lehmverschmiertem Flechtwerk. Sie war kleiner und schmutziger und heruntergekommener als die neuzeitlichen Abbildungen und Rekonstruktionen. Nur die Kirche sah aus, wie sie sein sollte.
    Der Glockenturm stand getrennt von ihr zwischen dem Friedhof und dem Dorfanger. Er war offensichtlich später errichtet worden als die Kirche mit ihren romanischen Rundbogenfenstern und grauen Steinquadern. Der Kirchturm war hoch und rund, und sein Mauerwerk aus gelblicherem Stein, beinahe golden.
    Ein Karrenweg, nicht breiter als jener, der am Absetzort vorüberführte, verließ jenseits von Kirchturm und Friedhof das Dorf und zog sich hangaufwärts in den Wald hinein.
    Das ist der Weg, den wir gekommen sind, dachte Kivrin, und schickte sich an, den Dorfanger zu überqueren, aber sobald sie aus dem Schutz der Bäume und Gebäude auf die freie Fläche kam, fiel sie der Wind an. Er fuhr durch ihren Umhang, als ob er nichts wäre, und schien sich in ihre Brust zu bohren. Sie zog den Umhang fest um sich, hielt ihn mit der flachen Hand gegen die Brust und ging langsam weiter.
    Irgendwo im Südwesten begann wieder die Glocke zu läuten. Was es bedeutete, blieb ihr verborgen. Eliwys und Imeyne hatten darüber gesprochen, aber das war geschehen, bevor sie verstehen konnte, was die Einheimischen sagten, und als sie gestern wieder geläutet hatte, war Eliwys nicht einmal anzumerken gewesen, daß sie es gehört hatte. Vielleicht hatte es mit der Adventszeit zu tun. Am Weihnachtsabend sollten die Glocken während der Abenddämmerung läuten, und dann noch einmal eine Stunde vor Mitternacht. Vielleicht läuteten sie während der Adventszeit auch noch zu anderen Zeiten.
    Der Weg war aufgeweicht und ausgefahren. Kivrins Brust begann zu schmerzen, aber sie drückte ihre Hand fester dagegen und ging weiter, so schnell sie konnte. Weit draußen, jenseits der Felder, konnte sie Bewegung ausmachen. Das mußten die Bauern sein, die mit dem Julblock zurückkamen oder die Tiere von der Weide heimtrieben. Sie konnte nichts Genaueres erkennen. Es war dunstig und es sah aus, als schneite es dort draußen bereits. Sie mußte sich beeilen.
    Der Wind schlug ihr den Umhang um die Beine und fegte totes Laub vorüber.

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