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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Die Kuh wanderte mit gesenktem Kopf über den Dorfanger in den Schutz der Hütten, wo sie ihren Stallverschlag haben mochte. Die Hütten sahen so niedrig aus, daß ein Erwachsener wahrscheinlich nur unter dem Firstbalken aufrecht stehen konnte, und die dürftig verschmierten Flechtwände unter den schadhaften Strohdächern konnten den Wind sicherlich nicht abhalten.
    Die Glocke läutete weiter, langsam und gleichmäßig, und Kivrin merkte, daß sie ihren Schritt unwillkürlich dem Rhythmus der Glockenschläge angepaßt hatte. Sie sollte sich lieber beeilen. Jede Minute konnte es anfangen zu schneien. Aber wenn sie schneller ging, wurde der Schmerz in ihrer Brust so stechend, daß sie husten mußte. Und der Husten war so hart, daß sie wieder stehenbleiben und sich krümmen mußte.
    Sie würde es nicht schaffen. Sei nicht albern, sagte sie sich, du mußt den Absetzort finden. Nein, du bist krank. Du mußt zurück und ins Bett. Geh bis zur Kirche, dann kannst du drinnen eine Weile ausruhen.
    Sie ging mit einer Willensanstrengung weiter, versuchte den Husten zu unterdrücken, doch ohne Erfolg. Sie bekam keine Luft. Sie konnte es nicht bis zur Kirche schaffen, geschweige denn bis zum Absetzort. Du mußt, du mußt, hämmerte sie sich ein, um den Schmerz zurückzudrängen. Du mußt den Willen haben, es zu schaffen.
    Wieder blieb sie stehen, beugte sich gegen den Schmerz vornüber. Sie war in Sorge gewesen, daß ein Bauer aus einer der Hütten kommen würde, aber nun wünschte sie sich, daß irgendwer kommen und ihr zum Herrenhaus zurückhelfen würde. Aber mit Wünschen war nichts getan. Niemand war im Dorf, alle waren in diesem eiskalten Wind draußen, brachten den Julblock ins Dorf und holten das Vieh von den Weiden. Sie blickte hinaus zu den Feldern. Die fernen Gestalten, die sie dort undeutlich gesehen hatte, waren verschwunden.
    Sie erreichte die letzte Hütte in der Reihe. Weiter voraus standen scheinbar willkürlich verstreut windschiefe Hütten und Verschläge, in denen sicherlich niemand lebte. Es mußten Heuhütten, Kuhställe oder Schweinekoben sein, und auf der anderen Seite des Fahrweges, nicht mehr weit, erhob sich die Kirche. Wenn ich langsam gehe, dachte sie, schaffe ich es vielleicht, und sie setzte ihren Weg fort. Bei jedem Schritt gingen ihr die Stiche durch und durch. Sie machte halt, ein wenig wankend, und wehrte sich gegen die Vorstellung, ohnmächtig zu werden. Niemand wußte, wo sie war.
    Sie wandte sich um und blickte zurück zum Gutshof. Wie sie sich fühlte, würde sie nicht einmal zurückgehen können. Sie mußte sich niedersetzen und rasten, doch überall war es naß, aufgeweicht und schmutzig. Eliwys kümmerte sich um einen kranken Häusler, Imeyne und die Mädchen und das ganze Dorf waren draußen und fällten den Julblock. Niemand wußte, wo sie war.
    Der Wind nahm noch zu und kam jetzt nicht in Stößen, sondern in einem gleichmäßigen Blasen, das über die Felder heranfegte und die kahlen Äste der Bäume schüttelte. Kivrin begriff, daß ihr nichts übrig blieb als umzukehren, aber wie sollte sie es schaffen? Selbst das Stehen war jetzt eine zu große Anstrengung. Wenn es irgendwo eine Gelegenheit gäbe, würde sie sich setzen, aber zwischen dem Wegrand und den schiefen Flechtzäunen und zerrauften Hecken, hinter denen sich die Hütten duckten, gab es nur Schlamm und Wasserlachen. Sie würde in die Hütte gehen müssen.
    Sie war von einem wackligen Flechtzaun umgeben, der ihr kaum bis zur Hüfte reichte und keine Katze ferngehalten hätte, nicht zu reden von den Kühen, Ziegen und Schafen, deren Eindringen er verhindern sollte. Nur das Tor hatte höhere Pfosten, und Kivrin lehnte sich gegen einen von ihnen. »Hallo!« rief sie. »Ist jemand da?«
    Der Eingang zur Hütte war nur ein paar Schritte vom Tor entfernt, und die Hüttenwände konnten nicht schalldicht sein. Sie waren nicht einmal winddicht. Kivrin sah ein Loch, wo der Bewurf aus Lehm und kleingehacktem Stroh sich vom Flechtwerk darunter gelöst hatte und herabgefallen war. Sicherlich konnte man sie hören. Sie hob die Lederschlaufe, die das Tor zuhielt, ging hinein und klopfte an die niedrige Tür.
    Keine Antwort, und sie hatte keine erwartet. »Ist jemand daheim?« rief sie, ohne zu horchen, wie der Dolmetscher es übersetzte, und versuchte den hölzernen Stangenriegel zu heben, der vorgelegt war. Er war zu schwer. Sie versuchte ihn seitwärts zu verschieben, doch auch das war nicht möglich. Die Hütte sah aus, als könnte sie

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